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Februar 2025

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Toxische Pommes:

Ein schönes Ausländerkind

Als kleines Kind kam die Ich-Erzählerin mit ihren Eltern nach Österreich, Anfang der 1990er, als in Jugoslawien der Krieg tobte. Als Erwachsene blickt sie zurück auf ihr Leben und stellt fest: "Ich hatte den Ausländer in mir erfolgreich wegintegriert. .. Ich war perfekt. .. Und trotz alledem fühlte ich mich innerlich tot." Wie kam es dazu? Diese Frage versucht sie mit ihrem so komischen wie hintergründig-traurigen Roman zu beantworten. Ihr Blick ist  scharf und schonungslos, ihr Humor wienerisch-trocken. Es gibt viel zu lachen, genauso viel gilt es zu hinterfragen, vor allem bei sich selbst.

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Jean d´Amerique: Zerrissene Sonne

Der Roman spielt in einem Slum der durch das Erdbeben 2010 verwüsteten Hauptstadt Haitis, Port-au-Prince. Hier wächst  Tête Fêlée auf, inmitten von Gewalt, Korruption und Verzweiflung. Ihre Mutter arbeitet als Prostituierte, ihr Papa, der nicht ihr Vater ist, ist der "beste Söldner" des mordenden Chefs ihres Viertels. Und Tête Fêlée ist unsterblich verliebt in ihr "Mondmädchen" Silence. Viel kommt zusammen in diesem jungen Leben, das vorherrschende Gefühl ist Wut. Jean d´Amerique, der auch Lyriker, Dramatiker und Rapper ist, gelingt es, in seinem Debütroman Charaktere präzise zu zeichnen, die kaputte Gesellschaft abzubilden und das in einer ganz eigenen Sprache, die man als `rote Poesie´ beschreiben könnte. Rot, weil sie grausig sein kann, dem Tod nicht ausweicht, weil sie laut ist und nicht in Moll-Tönen daherkommt. 

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Ulrich Rüdenauer: Abseits

Der achtjährige Richard wächst auf dem Hof des Onkels auf. Wer seine Eltern sind, wo sie sind, sagt ihm niemand. Dafür lässt man ihn um so deutlicher spüren, dass er nur geduldet ist. Einzig der Großvater meint es gut mit ihm, doch der macht sich zunehmend rar, verschwindet fast ganz. Mit Empathie und liebevollem Wohlwollen, mit einer melancholischen Poesie, die sich wie ein Schutzmantel um den jungen Helden, wie auch die Leser:innen legt, erzählt Ulrich Rüdenauer in seinem 1954 spielenden Debüt vom Drama eines sensiblen Kindes, das im Abseits steht. Der Roman ist aufgrund seiner Sprache einer der besten den Jahres 2024 für mich.

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Felicitas Andresen:

Die Frau mit den 3 Händen

Die neunjährige Jessica lebt mit ihrer Mutter, einer Schauspielerin, im Nachtkriegs-Stuttgart. Sie verbringt viel Zeit alleine - äußerlich. In Wirklichkeit hat sie allerlei Gefährten, die sie sich ausdenkt. Sie sprüht vor Phantasie und außerdem arbeitet sie auch, sie ist "Funkkind" beim Radio.

In große Aufregung versetzt sie das Angebot, den Puck in Shakespeares "Sommernachtstraum" zu spielen. Der schmale Roman erzählt auf berührende Weise von einem kargen Leben, das von früher Verantwor-tung geprägt ist, und er erzählt von der Wirkmacht der Phantasie und der Schönheit. Beiden stehen die Realität entgegen, die Umstände, eifer- und herrschsüchtige Menschen. Doch Jessica behauptet sich, ohne sich selbst aufzugeben.

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