Die neuesten Empfehlungen

_____________________________________________________

April 2023

_____________________________________________________

Andrej Blatnik: Platz der Befreiung

Dieser Roman, der im Jahr 1988 mit den Demonstrationen für Freiheit und Unabhängigkeit beginnt und bis in die Gegenwart reicht, erzählt von der Entstehung des heutigen Sloweniens. In dieses Gesellschaftsporträt ist das Bild eines namenlosen Helden gewebt,  sowie eine Liebes-Fast-Liebes-geschichte, die die vielen einzelnen Episoden des Romans miteinander verbindet. Die Bandbreite reicht von fabulierlustigen Gesprächen bis zu allgemeinen Bemerkungen über gesellschaftliche Themen, von hoher Philosophie bis zur "wilden Mathematik" von Wohnungs-vermittlern. Die Vielfalt ist beeindruckend, in jeder Hinsicht.

Zur Besprechung

 

 

 

Hugo Lindenberg:

Eines Tages wird es leer sein

Der Ich-Erzähler, ein zehnjähriger Junge, der bei seiner Großmutter lebt, verbringt mit ihr die Sommerferien am Meer in der Normandie. Das unsichere und einsame Kind lernt hier Baptiste kennen. Dieser verkörpert all das, was der Erzähler gerne wäre und hätte, er  ist ein "richtiger Junge", er hat eine "richtige Familie". Die Freundschaft gleicht einem Geschenk, das der Erzähler jederzeit verlieren könnte. Der präzise wie intensive, poetische wie empathische Roman erzählt von einem Kind, das die Leichtigkeit der Kindheit nicht kennt, und vom Schweigen, das schwerer wiegt als das gesprochene Wort. Er erzählt von einem Leben, auf dem die Vergangenheit lastet, aber auch von der Kraft, sich aus der Einsamkeit zu befreien und dem Mut, sich zu öffnen. 

Zur Besprechung

 

 

 

Simone Atangana Bekono:

Salomés Zorn

Salomé, Tochter einer Niederländerin und eines Kameruners, erfährt ihr Leben lang Rassismus bis hin zu gewalttätigen Angriffen. Eines Tages wehrt sie sich. Dafür bekommt sie sechs Monate Jugendhaft mit Wiederein-gliederungstherapie, die ausgerechnet ein Mann durchführt, der an einer rassistischen TV-Show teilgenommen hat. Was hat Salomés Zorn so groß werden lassen? Was hat ihn zur Explosion gebracht? Es geht nicht nur um diese eine Tat, sondern um die Strukturen einer Gesellschaft, die ausgrenzt. Salomé muss lernen, ihre Wut zu zähmen, was müssen all die Menschen um sie herum lernen?

Zur Besprechung

 

 

 

Gabrielle Zevin:

Morgen, morgen und wieder morgen

In ihrem Roman, dessen Titel ein Shakespeare-Zitat ist, erzählt Gabrielle Zevin von der Freundschaft zwischen Sadie und Sam, die sich Mitte der 1980er kennen lernen. Um Freund-schaft, Verrat, Scheitern und wieder Aufstehen, um leben, lieben und spielen geht es in diesem Roman, der ein Vierteljahrhundert umfasst und die reale Welt mit der virtuellen verknüpft. Die beiden "Spielkameraden" sind Entwickler von Videospielen, der Roman hat mir diese Welt deutlich näher gebracht. Spielen als Einübung ins Leben, dieser Gedanke des Homo ludens ist die Basis des ereignis- und wendungsreichen Romans, der tiefe Persönlichkeiten entfaltet, einen ganz besonderen Humor hat und bis zur letzten Seite die Spannung nicht verliert. 

Zur Besprechung

 

 

 

Ralph Tharayil: Nimm die Alpen weg

Ein Geschwisterpaar, das wie ein Chor als "wir" spricht, erzählt in der Form eines langen Prosagedichts von seiner Kindheit und der späteren Loslösung von den Eltern. Diese sind Migranten, die stets "bei der Arbeit" sind, und doch ständig über die Kinder wachen. In seinem Debütroman findet Ralph Tharayil eine Sprache, die poetisch und genau ist, und zugleich viel Raum für die Lesenden lässt.

Es geht um Integration und Emanzipation, es geht um das "woher" und "wohin", um die Suche nach dem eigenen Weg.

Zur Besprechung

 

 

 

Manuel Chaves Nogales:

¡Blut und Feuer!

In neun Erzählungen, entstanden 1936/37, reflektiert der zu diesem Zeitpunkt im Pariser Exil lebende Autor und Journalist Manuel Chaves Nogales die erste Zeit des Spanischen Bürgerkriegs. Er weigert sich seine "Wahrheit des liberalen Intellektu-ellen, des Bürgers einer demokrati-schen und parlamentarischen Republik" zu verraten. Er stellt sich auf keine Seite, in seinen Erzählungen beschreibt er die Grausamkeiten aller an diesem Krieg Beteiligten dar. Er versteht es, einen klaren Blick auf die Fakten zu behalten, einen Spannungsbogen aufzubauen und mit seinen vielfältigen Figuren und der Beschreibung all dessen, was passiert, die LeserInnen für einen heute nur scheinbar weit entfernten Konflikt zu interessieren. Die Grundkonstellation hat sich nicht verändert. Gewalt erzeugt Gewalt, das ist keine neue Erkenntnis, aber Chaves Nogales gießt diesen Gedanken in beeindruckende Erzählungen, die brennend aktuell sind.

Zur Besprechung