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September 2019
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Linda Wolfsgruber & Jorge Luján: Der Garten der Formen
Die Poesie der Geometrie - dargestellt in vielfältigen Bildern von Linda Wolfsgruber, in Worte gefasst von Jorge Luján. Zusammen ergeben Bilder und Gedichte eine phantasievolle Reise in einen magischen Garten der Formen, in dem sich aus einfachen Grundelementen eine phantastische Welt zusammensetzt. Die zauberhaften Gedichte weisen auf die Geheimnisse, die das scheinbar Bekannte in sich trägt hin und geben dem Offensichtlichen eine unerwartete Wendung. Sie sind leicht, großzügig, einladend. Die Bilder greifen manche Gedanken der Texte auf, entwickeln aber auch eine eigene, freie Formensprache und ein interessantes Farbenspiel - dieser Garten ist ein Gedicht!
Steven Millhauser:
Stimmen in der Nacht
In sechzehn Erzählungen führt Millhauser vor Augen, wie nah unter der sichtbaren Welt die verborgene, verdrängte, liegt. Wie leicht sich diese Bahn bricht und in die Vollkommen-heit der Kleinstadt eindringt. Unter dieser lebt eine "Alternativstadt", eine dunkle, "die sich dem Aufbrechen von Grenzen verschrieben hat". Er schlägt einen großen Bogen, über Mythen und Märchen, die Bibel und die Geschichte, hin zu einem kunstvoll gestalteten Triptychon, in dem er die zuvor aufgefächerten Gedanken wieder zusammenbringt.
Nadine Olonetzky: Belichtungen
Dieses sehr persönliche Buch versammelt 55 Texte und 25 Bilder Nadine Olonetzkys. Diese entstanden durch Licht und Zeit: auf Papier gelegte Fundstücke wurden der Sonne überlassen, das Papier vergilbte, die Gegenstände blieben als Schattenrisse erhalten. Sie sind eine Art Zeitspeicher, eine Sammlung vieler Augenblicke, Zeugnisse der Vergangenheit - oder der Gegenwärtigkeit? Nadine Olonetzky umkreist die Themen Zeit, Erinnerungen, Wirklichkeit. Sie stellt Fragen, versucht Antworten in Gedichten und Bildern. Das ungewöhnliche und sehr sorgfältig edierte Buch schenkt dem Leser das eingefangene Licht, die eingesammelte Zeit. Es ist ein Zeugnis der Geduld und der Reife, es ist eine Freude, es in den Händen zu halten.
Markus Orths, Marlen Schachinger, Micheal Stavaric: Requiem
Diese erste literarische Totenmesse wurde im Mai 2017 in einer öster-reichischen Pfarrkirche aufgeführt. Kurze Zeit später erschien der Text als Buch - es ist das Gemeinschaftswerk dreier Autoren. In der Form folgt es den Vorgaben der musikalischen Messe, sie gibt den Rahmen für die literarische Auseinandersetzung mit dem Thema vor. Der Untertitel lautet "Fortwährende Wandlung", dieser weist darauf hin, dass es viel mehr um das Leben geht, mit all seinen ständigen Veränderungen - die letzte und endgültige Metamorphose
ist der Tod. Ernsthaft und leicht, die Komik als Pendant der Tragik nicht außer Acht lassend, nehmen sich die Autoren sehr weltlichen Themen und Fragestellungen an - immer eingedenk eines Endes, das bedingt, "dass unsere Zeit uns kostbar sei." Das Buch ist sehr facettenreich, es stellt manche Denkgewohnheit in Frage, es ist eine Verführung zum Nach-Denken!
Cesare Pavese: Das Haus auf dem Hügel
Turin 1943/44, die Stadt wird bombardiert, wer kann, flieht in die Hügel außerhalb der Stadt. Dort lebt Corrado, der Held des Romans schon seit Jahren, hierhin zog er sich in seine selbstgewählte Einsamkeit zurück. Durch Zufall trifft er Cate, eine Liebe aus vergangenen Tagen wieder, sie hat einen achtjährigen Sohn, der Corrados Kind sein könnte. Cate gehört zu einem Kreis von Widerständlern, sie ist eine sehr selbständige Frau geworden. Diese Begegnung weckt nicht nur Erinnerungen, sie verändert das Leben Corrados. Der Krieg holt schließlich auch ihn mit voller Wucht ein, er flieht, zuerst versteckt er sich in einem Kloster, dann schlägt er sich in sein Heimatdorf südlich Turins durch. Eingebettet ist dieses historisch genaue Dokument in die Überzeitlichkeit der Landschaft, die mehr ist als das, sie ist ein heiliger Ort, Träger einer uralten Kultur. Pavese arbeitet in seinen Roman die Fragen nach Verantwortung, Schuld, Angst, Einsamkeit, Krieg und Bürgerkrieg ein, er entwickelt einen überaus vielfältigen Reigen unterschiedlichster Charaktere (keineswegs verengt er seine Sicht auf den Ich-Erzähler). Seine präzise, rhythmische und moderne Sprache hat Maja Pflug trefflich ins Deutsche übertragen, sie hat das Werk entstaubt und ins Heute geholt.
Das ist Literatur auf allerhöchstem Niveau.