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Mai 2023
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Andrea Grosso Ciponte (Illustration) & Dacia Palmerino (Textadaption):
Der Untergang des Hauses Usher -
Nach Edgar Allan Poes Kurzgeschichte
In dieser Graphic Novel wird die Schauergeschichte Edgar Allan Poes aus dem Jahr 1839 mit modernen Mitteln zeitgemäß in Szene gesetzt.
Sie erzählt von Urängsten, vom Kampf gegen mächtige Triebe und der Schwäche des Menschen mit Bildern, die an Filme erinnern, die zwischen überscharf und verschattet changieren. Die Gothic Novel stellt das Grauen und die Qualen des Ich-Erzählers wie auch die des letzten männlichen Sprosses des Hauses Usher und dessen Schwester eindrucksvoll dar. Wahres Kopfkino.
Anne Weber: Luft und Liebe
Anne Weber erzählt eine luftig leichte, ironisch gebrochene Liebesgeschichte, in der eine Schriftstellerin einen Märchenprinzen findet. Ein Kind wäre die Krönung dieser Liebe, doch mit Anfang vierzig tickt die biologische Uhr hörbar. Aber es gibt ja die Hilfen der Medizin, vielleicht geschieht das Wunder? Es geschehen ganz wunder-liche Dinge, am Ende platzt nicht die Fruchtblase, sondern eine andere. Anne Weber stellt ihrer Ich-Erzählerin eine Doppelgängerin zur Seite, so entspinnt sich ein manchmal absurder Dialog, der aber die ganz ernsthafte Frage zum Verhältnis von Leben und Schreiben stellt. Das feine Zerlegen des Märchenprinzessinnentraums ist eine vergnügliche Befreiung, eine, die die "tote Prinzessin" zum Leben erweckt.
Margherita Costa:
Die schöne Frau bedarf der Zügel nicht
Die Römerin Margherita Costa (ca. 1600-1657) verfasste ein riesiges Werk, war nebst Schriftstellerin auch Opernsängerin, Kurtisane, Vertraute mächtiger Fürsten und Päpste, Mütter einiger Töchter, Lebensgefährtin dubioser Männer, Satirikerin, Pornographin, Geschäftsfrau und vor allem ein mutiger Freigeist. In Leben und Werk galten keine Schranken für sie, vor allem nicht die ihrem Geschlecht auferlegten. Nach 400 Jahren kann dieses Werk nun erstmals auf Deutsch gelesen werden, frisch und frech übersetzt von Christine Wunnicke, die auch die Auswahl traf und ein einführendes Porträt verfasste. Bei der Lektüre kann man immer wieder nur staunen, lachen, sich wundern über diese Fülle und Sinnlichkeit, diese Lust am Widerspruch, an der Karikatur, Parodie und Exzentrik.
Luise Maier: Ehern
Luise Maiers eindrücklicher Roman kreist um die Weitergabe von Traumata über Generationen hinweg. Die Ich-Erzählerin Ida beginnt mit Mitte zwanzig, die Geschichte ihrer Familie zu erforschen, um so auch herauszu-finden, wer sie ist, woher sie kommt. Die Autorin verwebt die Biografien von Idas Vorfahren, vor allem die ihrer Großmutter Magdalena, mit der Geschichte des 20. Jahr-hunderts. Und sie fächert auf, wie sehr manche der damals herrschenden Ideen bis heute nachwirken, bis in das Leben Idas, geboren 1990, hinein. Klug legt die Autorin Spuren aus, zieht Verbindungslinien, verzahnt Episoden, Erinnerungen, Träume, Realität und die Ablagerungen von Generationen in einem einzelnen Menschen zu einem Gesamtbild. Das Bild der Matrjoschka ist ein sehr schönes für Idas Erkenntnis, all die Mütter ihrer Linie in sich zu tragen und trotzdem ihren eigenen Weg gehen zu können.
Katharina Mevissen:
Mutters Stimmbruch
"Mutter kann neun Sprachen, aber redet mit niemandem mehr". So beginnt der Roman, der eindrücklich vom Altwerden erzählt, aber auch davon, eine neue, eigene Stimme zu finden. Katharina Mevissen legt viele Fäden aus, sie spricht von Haus und Garten, die die Protagonistin spiegeln, sie lässt Mutter in einem hellblauen Badeanzug in einer Telefonzelle singen - es bringt auch kleine Verrücktheiten mit sich, das Alter. Die Fäden verknüpfen sich zu einer immer dichter werdenden Geschichte einer Befreiung, denn so viel die Heldin auch verliert, sie findet zu sich selbst.
Raymond Vouillamoz: Eugènie,
Die Magd des Kretins - Tagebuch einer Reise
In diesem "Tagebuch einer Reise" vereinen sich die Lebensgeschichten eines Kretins aus bester Familie und die eines Waisenmädchens. Am Ende des 18. Jahrhunderts im Wallis beginnend, über die napoleonischen Kriege, die Kolonisierung der Krim, bis hin zum zweiten Weltkrieg führt die Reise, in deren Verlauf die persönlichen Geschichten in die Zeitgeschichte eingebettet werden. Vor allem die Biographie der Eugènie ist eine erstaunliche: sie heiratet, wird Mutter, erlernt den Beruf der Hebamme und gehört am Ende ihres Lebens zum inneren Kreis am Zarenhof. Die Tagebücher erzählen von den Einflüssen der Zeit und Welt auf das Leben der Menschen, aber auch von den Möglichkeiten des Einzelnen, eigene Wege zu gehen.