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März 2023
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Sarah Knausenberger (Text) &
Elke Ehninger (Illustration):
Die Wildmohnfrau
Der spontane Entschluss ihrer Mutter, auf eine Kontaktanzeige zu reagieren, verändert das Leben der fünfjährigen Mia komplett. Die beiden verlassen alles, was Mias Welt war, in der neuen, sich ständig verändernden, muss sie sich zurecht finden. Viele Wechsel, Einsamkeit und Zweifel, aber auch Freundschaft, glückliche Zufälle und gemeisterte Krisen bestimmen von nun an Mias Leben. Sie findet schließlich eine Heimat in den Worten, aus dem Kind ist eine junge Frau geworden, die ihre Aufgabe gefunden hat. Für alle LeserInnen ab zwölf Jahren.
Luna Al-Mousli:
Um mich herum Geschichten
Aus der Perspektive von Gegenständen erzählt die 1990 in Damaskus geborene, heute in Wien lebende Autorin Luna
Al-Mousli von einer syrischen Großfamilie, die der Krieg in die Flucht trieb. Obwohl sie ihre Figuren ganz konsequent von außen betrachtet, auf Gedanken oder Dialoge verzichtet, zeichnet sie ein lebendiges und konturiertes Bild vom Leben und Schicksal diverser Personen. Sie schreibt zurückhaltend, konzentriert und ohne Schnörkel, nicht nur von Einsamkeit und Exil, sondern auch von Stärke, Mut und Durchhalte-willen.
Radna Fabias: Habitus
Die Gedichte der 1983 in Curacao geborenen, seit ihrem 17. Jahr in den Niederlanden lebenden Autorin erzählen von einem Leben in zwei Welten und dem Versuch, als Frau anzukommen. Das heißt nicht zuletzt, die Erfahrungen, die sich in den Körper einschreiben, die den "Habitus" formen, zu versprachlichen. Die Gedichte sind konkret, in der Wirklichkeit verankert, aber Radna Fabias schreibt ihnen eine Ebene ein, die hinter dem Bekannten, unter dem bislang Gesagten liegt. Sie fließen und klingen, sie fordern das Mitdenken der Lesenden ein, sie fordern den Verstand und beschenken mit ästhetischem Genuss.
Stine Pilgaard: Meine Mutter sagt
Die Ich-Erzählerin, eine Studentin, wurde von ihrer Lebenspartnerin rausgeworfen. Sie zieht zu ihrem Vater und versucht mit dem Verlust zurecht zu kommen. Während der etwas unsichere Vater sie aufheitern möchte, läuft die Mutter zur Hochform auf und überschüttet sie mit Ratschlägen und Lebensweisheiten. Eine Freundin steht ihr aber auch zur Seite und ein Arzt, mit dem sich ebenso skurrile Dialoge entwickeln wie mit allen anderen Figuren des Romans. Dieser ist klug komponiert, er ist witzig, tragisch und poetisch. Die Heldin ist phantasievoll, geist-reich, eine junge Frau, die sich aus dem Garn befreit, das die Mutter in Form von Worten um sie geschlungen hat. Ein wunderbares Debüt der 1984 geborenen Dänin, souverän und trefflich übersetzt von Hinrich Schmidt-Henkel.
Tatjana Gromaca:
Die göttlichen Kindchen
Eine Ich-Erzählerin berichtet von ihrer Mutter und deren Hochs und Tiefs, den Krankenhausaufenthalten, dem stetigen Kampf gegen ihre Ängste. Diese Mutter ist ein Sinnbild für die Gesellschaft Kroatiens in den 1990er Jahren: das Land kämpft mit den Folgen des Krieges, der die Menschen zu Bestien gemacht hat. Doch das eigenwillige Buch ist weder räumlich noch zeitlich begrenzt, es erzählt vom "Bodensatz" in den Menschen, von ihren Fluchten, ihren Versuchen, keine Verantwortung zu übernehmen, und damit niemals frei sein zu können.
Tom Vuk: Josip
Tom Vuk fiktionalisiert in diesem Roman die Lebensgeschichte seines Vaters, der in den 1960er als junger Mann nach Deutschland kam. Nicht, um viel Geld zu verdienen, sondern um sich abseits der Erwartungen seiner Familie ein eigenes Leben aufzubauen. Mit vielen Geschichten verschiedener Personen spannt der Autor einen weiten Bogen durch das 20. Jahrhundert, erzählt von Krieg und Liebe, von Eifersucht und Scham, von Arbeit, Armut und begrabenen Träumen. Aber auch von Mut und Kraft. Das sehr lesenswerte Debüt ist eine bilderreiche Charakterstudie, es erzählt nicht von Integration, sondern von Emanzipation.