Die neuesten Empfehlungen
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Juli 2020
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Katrin Seebacher: Morgen oder Abend
Albertina ist über achtzig, das Leben fängt an, ihr zu entgleiten. Das Wort Demenz kommt nicht vor in diesem feinen, stilsicheren und klugen Roman, doch davon handelt er. Albertina versucht, die bröckelnde Gegenwart mit Geschichten aus der Vergangenheit zu kitten, auf diese Weise erzählt Katrin Seebacher ein bewegtes Leben, das zwischen Deutschland und Italien pendelte. Sie verschränkt dabei die Perspektive eines Erzählers, der von außen auf das Geschehen blickt, mit den Gedanken Albertinas, dem "Ich", das im Mittelpunkt steht.
So zeichnet die Autorin ein detailliertes, weiträumiges und sehr berührendes Bild der einst so lebenslustigen Alba, die auch im Alter nicht verlernt hat, zu flirten.
Ana Schnabl: Grün wie ich dich liebe grün
Zehn Erzählungen der 1985 geborenen Autorin, die mit dem Skalpell geschrieben sind. Die die Wurzeln freilegen und ohne Umschweife von Menschen erzählen, die nicht der Norm entsprechen. Hauptsächlich von Frauen in ihren verschiedenen Rollen handeln die Geschichten, sie spiegeln die Erwartungen der Gesellschaft. "Harmonie bleibe den Engeln vorbehalten", so der letzte Satz einer Erzählung - für die Menschen bleibt diese eine Sehnsucht. Ein sehr reifes Debüt!
Michelle Winters: Ich bin ein Laster
Eine Woche vor dem zwanzigsten Hochzeitstag verschwindet Réjean spurlos. Agathe hat nicht die geringste Ahnung weshalb. In sich abwechselnden Blicken auf das "Jetzt" und das "Davor" entwickelt Michelle Winters eine rasante Kriminal- und Liebesgeschichte, die tief in die kanadische Provinz und tief in die Herzen ihrer Protagonisten führt. Neben Agathe und Réjean gibt es einige superschräge weitere Figuren, der Roman nimmt überraschende Wendungen und steuert auf ein dramatisches Ende zu. Dieses schleudert Agathe in ein neues Leben - vermutlich, aber so ganz gewiss kann man hier nie sein, zu gekonnt spielt die Autorin mit Klischees und Erwartungen.
Theres Essmann: Federico Temperini
Der Taxifahrer Jürgen wird von einem Herrn alter Schule als Chauffeur angeheuert. Die Fahrten führen zur Philharmonie, später auf den Friedhof oder an einen See - die beiden ganz und gar unterschiedlichen Menschen fassen Vertrauen zueinander und öffnen sich. Unsichtbar immer dabei ist der Teufelsgeiger Paganini, er ist eine Art Spiegel, durch den Temperini Bruchstücke von sich preisgibt. Und auch in Jürgen werden Erinnerungen wach und er spricht von seinen Ängsten. Die Novelle erzählt von Sprachlosigkeit, Einsamkeit, Verlust und Sehnsucht - und in gleichem Maß von Freundschaft und Menschlichkeit.
Felicitas Andresen:
Sex mit Hermann Hesse
Eine geistreiche, (selbst)ironische und trocken humorvolle Begegnung mit einem Heiligen der Dichtkunst - so könnte man den Roman umreißen. Geschrieben wurde er von einer "Aufsichtsbeauftragten" des Hesse-Museums in Gaienhofen am Bodensee. Dort verdient sich die Autorin ein kleines Zubrot als Betreuerin. Sie nutzt die Zeit, um sich mit der Mentalität der Besucher, den manchmal komplizierten Beziehungen der Mitarbeiter untereinander, vor allem aber mit dem Werk Hesses auseinanderzusetzen. Sie tritt in einen sehr persönlichen Dialog mit dem Dichter und scheut sich nicht, freche Fragen zu stellen. An ihn, an sich, an die Dichtung.
Mit witzigen Episoden und an Thomas Bernhard erinnernden Qualitäten enthüllt sie Offensichtliches, das lange ungesehen blieb.