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Januar 2020

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Judith Auer: Ein Stück Käse

Die bekannte Fabel vom Raben, der auf den Schmeichler Fuchs hereinfällt und sein Stück Käse an diesen verliert, hat mit diesem Bilderbuch eine klare, moderne, überzeugende Neuinterpretation erfahren. Mit reduzierten Bildern lenkt Judith Auer, die auch den Text geschrieben hat, auf das Wesentliche. Das Hüte-dich-vor-Schmeichlern kommt ganz leichtfüßig beim Betrachter an, die luftigen Bilder lassen Raum für klare Gedanken - es ist ein gelungenes erstes Werk der Illustratorin und Geschichtenerzählerin.

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Eliot Weinberger: Neunzehn Arten Wang Wei zu betrachten

Jede Übersetzung ist eine Verwandlung, Erschaffung eines neuen Gedichts, so der Gedanke Eliot Weinbergers.

Das Original ist die DNA, die lebendige Materie oder Kraft, die Verwandte, nicht Klone hervorbringt.

Der Ausgangspunkt seiner "Neunzehn Arten" ist ein 1200 Jahre altes chinesisches Gedicht.  Weinberger hat Übersetzungen  zusammengetragen, kommentiert, abgewogen, beleuchtet, dem Leser vor Augen geführt, wie feinste Nuancen einen Text verändern oder ausmachen - es ist eine große Freude, Wang Weis Zeilen durch die Zeiten zu folgen und eine ebensolche Freude, Weinbergers Gedanken nach-zu-denken. Sehr schön auch, dass die deutsche Ausgabe mit Neuübertragungen und Nachdichtungen ergänzt wurde, sie erweitern das Sichtfeld noch einmal. Dieses kleine Buch verändert das Lesen!

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Lydia Steinbacher: Schalenmenschen

In zwanzig Erzählungen spürt Lydia Steinbacher Zuständen und Wendungen im Leben ihrer Protagonisten nach. Feinfühlig und poetisch beschreibt sie Begegnungen, Erinnerungen, Brüche, Schmerzen oder die Liebe - ihre Figuren versuchen, sich aus ihrer Schale zu lösen, oder auch sich eine solche zum Schutz überzuziehen. Steinbacher weicht auch dem Tod nicht aus - erstaunlich reife Erzählungen einer jungen Autorin.

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Olga Tokarczuk: Unrast

Ein Roman, der aus Episoden, Briefen, Essays, Novellen, Reflexionen, der direkten Ansprache des Lesers durch ein "Ich" besteht, der sich dem Thema Bewegung widmet (die nicht ohne ihr Gegenteil beschrieben werden kann),

der von Köpern fasziniert ist und diesen breiten Raum lässt, der viele Helden hat, Personen, die durch die Zeiten und von Ort zu Ort wandern - dieser Roman ist eine unglaubliche Vielfalt an Gedanken, an Schönheit, an Leben. Geschrieben in den unterschiedlichsten Klangfarben von Sprache, er lässt sich kaum fassen, aber er fasziniert außerordentlich.

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Désirée Opela: In Limbo

Vier junge Menschen trudeln durch München, diskutieren über die Kunst, suchen einen Sinn in ihrem Leben, suchen die Liebe - und Räume, die außerhalb des Konsums liegen.

Räume, die Möglichkeiten eröffnen, Erfahrungen zulassen, Gestaltung erlauben. Der sehr vielfältige Debütroman der jungen Autorin ist ein variantenreiches Plädoyer für die Ästhetik, eingebettet in die Geschichte ihrer Figuren, die sie aus dem mittelalterlichen Limbus, der Vorhölle, ins Jetzt transportiert. Das gelingt ihr trefflich.

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Michael Lichtwarck-Aschoff:

Der Sohn des Sauschneiders

Der berühmte Biologe Paul Kammerer und Franz, der Bub vom Land, haben ein Ziel: die Vererbbarkeit von erlern-ten Eigenschaften zu erforschen. Sie tun dies vor dem Ersten Weltkrieg am Wiener Vivarium - streng beobachtet von den Gegnern Kammerers. Franz, dessen Lebenstraum es ist, das hornlose Rind zu züchten, gerät schließlich in arge Nöte, denn er ist grundehrlich und manchmal muss auch in der objektiven Wissenschaft ein wenig nachgeholfen (sprich: getrickst) werden. Lichtwarck-Aschoff nimmt Fäden aus Wissenschaft und Geschichte auf, fügt einige Figuren hinzu, und spinnt daraus eine hintergründige, von Sprachwitz und Phantasie getragene Geschichte, die fasziniert. Und auch ein helles Licht auf die Gegenwart wirft. 

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