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Januar 2017

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Sabine Friedrich: Immerwahr

Im Jahr 1900 promoviert Clara Immerwahr in Chemie als erste Frau an der Universität Breslau. Sie ist schon dreißig und heiratet kurz darauf den Chemiker Fritz Haber, ein Jahr später kommt der Sohn Hermann zur Welt. Clara hatte von einer wissenschaft-lichen Arbeit an der Seite ihres Mannes geträumt, gemeinsam mit ihm wollte sie das Leben der Menschen verbessern - doch sie versinkt in den häuslichen Pflichten einer Ehefrau und Mutter. Haber hat überhaupt kein Interesse daran, mit ihr zu arbeiten. Clara durchlebt das Drama einer intelligenten und gut ausgebildeten Frau, die keinerlei Anerkennung erfährt und die die Schuld dafür noch bei sich sucht. So hat sie es gelernt: die Frau nimmt sich zurück, dient und pflegt, es steht ihr nicht zu, sich das zu nehmen, was sie möchte. Diesen Konflikt von Erwartungen der Gesellschaft und eigenen Wünschen stellt Friedrich in den Mittelpunkt, auch der Zeitgeist wird anschaulich porträtiert. Es wird Clara sein, die ihrem Leben ein Ende setzt, nicht nur, weil Fritz sie als "Verräterin" beschimpft. Er hat das Gas entwickelt, das 1915 in Belgien eingesetzt wurde, er hat die Wissenschaft verraten. Sie ist all diesen Widersprüchen nicht mehr gewachsen.

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Francesca Melandri: Eva schläft

Eva, uneheliche Tochter Gerdas, bekommt völlig unerwartet einen Anruf von Vito. Das ist jener Mann, der als junger Carabiniere aus Kalabrien seinen Militärdienst in Südtirol ableistete und sich dabei in Gerda verliebte. Kurz vor der geplanten Hochzeit verschwand er aus Tirol, aus Gerdas und Evas Leben. Nun liegt er im Sterben und möchte Eva noch einmal sehen. Diese tritt die Reise mit dem Zug an -

von Bozen nach Reggio Calabria, das sind fast 1400 Kilometer. Sie hat viel Zeit, um über die Vergangenheit nachzudenken. Dabei wechseln sich Passagen aus ihrem eigenen Leben ab mit einer umfassenden Darstellung der Geschichte des Landes, die eine harte und wechselhafte war. Die einzige Konstante: der Kampf um Unabhängigkeit. Dieser wurde mit Worten und Bomben ausgetragen, Angst und Gewalt trafen jeden, der dort lebte - bis hin zu Foltertoten im Bozener Gefängnis. Der Roman basiert auf historischen Fakten, in die so geschickt die Geschichte Gerdas und Evas eingewebt ist, dass der Leser zugleich einen Roman und ein Geschichtsbuch liest.

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Colm Toibin: Brooklyn

Die junge Eilis Lacey wandert Anfang der 1950er Jahre nach Brooklyn aus, weil sie in ihrer irischen Heimat wenig Chancen auf ein gutes Leben hat.

Nach anfänglichem Heimweh meistert sie ihr neues Leben sehr gut, sie arbeitet, bildet sich fort und verliebt sich in Tony. Sie sieht ihre Zukunft in Amerika, doch ein schreckliches Ereignis zwingt sie, zu ihrer Mutter zurückzukehren.

Aus geplanten vier Wochen wird ein ganzer Sommer und Eilis verzweifelt fast an der Frage, wohin sie nun gehört.

Der Roman erzählt auf beeindruckende Art und Weise von Fremdsein und Exil, von Selbstfindung und der Frage nach dem richtigen Leben.

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Pola Oloixarac: Kryptozän

Cassio, geboren Anfang der 1980er Jahre, ist ein Computer-Wunderkind. Zusammen mit dem Internet wächst er auf und lehrt schon als Vierzehn-jähriger das Pentagon das Fürchten.

Er wird einer der ganz Großen in der Hacker-Szene - mit Menschen kann er überhaupt nicht umgehen. Nach einer Phase des Frustes und Stillstandes bekommt er das Angebot, bei einem Projekt mitzuarbeiten, das sich mit der Erfassung von Gendaten befasst. Im Klartext geht es um die Verbindung von digitaler und biologischer Welt. Cassio macht diesen letzten Schritt und nimmt damit an einem Experiment teil, das mit der Erforschung und Kartierung des Dschungels im 19. Jahrhundert begann und dessen Zauberwort "Transhumanismus" war.

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