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Februar 2021

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Gilbert Keith Chesterton:

Verteidigung des Unsinns, der Demut, des Schundromans und anderer mißachteter Dinge

Sechzehn Essays des für seine Detektiv-romane um die Figur Pater Brown bekannten Autors, die sich mit Naheliegendem und auch Abgelegenem beschäftigen. Mit unverkennbar englischem Humor geht er Fragen der Philosophie, Literatur und Kunst, der Geschichte und Moderne, der Sprache und Pädagogik und nicht zuletzt der Liebe nach. Wunderbar illustriert von Egbert Herfurth, der die Themen in Szene setzt, ist das Buch ein Hochgenuss und eine Aufforderung zum Denken und Hinterfragen. Großes Lesevergnügen!

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Leonardo Sciascia:

Ein Sizilianer von festen Prinzipien

Zwei zentrale Texte Leonardo Sciascias vereint in einem Band: "Tod des Inquisitors" und "Der Mann mit der Sturmmaske". In beiden dient die Geschichte als Echoraum der Gegenwart - hier der auf dem Scheiterhaufen verbrannte Häretiker Fra Diego La Matina aus dem 17. Jahrhundert, dort der Chilene Alarcon, der im Jahr 1973 mit einem Wink seines Gewehres entschied, wer "zu Folter und Tod bestimmt war". Der sizilianische Autor schreibt über die Inquisition als Struktur, als weiterhin präsentes System, innerhalb dessen sich auch der gesichtslose Mann mit der Maske bewegt. Es sind Texte über Gerechtigkeit, Freiheit, Würde, Respekt. Zum besseren Verständnis tragen umfangreiche Anmerkungen sowie ein Essay von Maike Albath und eine Abhandlung von Santo Piazzese bei - der feine Band ist eine "Verneigung vor Leonardo Sciascia" und eine Erinnerung daran, dass ein Tribunal nur dann eine Chance hat, wenn "es in seiner Umgebung an jedweder intellektuellen Kraft fehlt"!

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Marco Missiroli: Treue

In Margheritas und Carlos Ehe bohrt sich ein Stachel: stimmt die Erklärung Carlos, er hätte seiner Studentin Sofia nur geholfen, weil ihr schlecht wurde, oder war da mehr auf der Universitäts-toilette? Diese Begebenheit ist Ausgangspunkt der Frage: Was ist Treue? Wo beginnt Untreue, auch sich selbst gegenüber? In den beiden

Haupt- und diversen Nebenfiguren buchstabiert Missiroli den großen Reigen aus Sehnsüchten, Ängsten, Obsessionen und Hoffnungen aus, sehr fein und sinnlich. Das Ende des Romans ist unerwartet schlicht, in einem schönen Sinn.

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Sofia Yablonska:

Der Charme von Marokko

Eine junge Frau reist im Jahr 1929 für drei Monate alleine nach Marokko,

aus Abenteuerlust und um sich selbst im Fremden zu spiegeln. Ihr Blick ist unvoreingenommen, weit weg von der kolonialen Attitüde der Franzosen, die sie in Marokko kennenlernt. Sie ist mutig und neugierig und sie versteht es, Menschen wie Situationen fesselnd zu beschreiben. Bei aller Faszination verliert sie nicht den kritischen Blick, ihre Fragen kreisen um kulturelle Identität, Zugehörigkeit und Selbstbestimmung. Sofia Yablonskas Travelogue ist ein Reisebericht, aber auch ein Erfahrungsbericht. Ergänzt wird der Text durch ihre Fotos, die einen präzisen Blick zeigen. Ein sehr schön ediertes Buch, hier stimmt alles.

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Kristin Dimitrova:

Wenn du ankommst, ruf mich an

21 Erzählungen aus den Jahren 2004-17 versammelt dieser Band, der neueste der Bulgarischen Reihe des Verlages ink-press. Die Helden sind Menschen, die sich irgendwie durchschlagen, die man als Leser achten, verachten oder bemitleiden kann - gleichgültig lassen sie einen nicht. Kristin Dimitrova beherrscht die Kunst des doppelbödigen Erzählens, der völlig überraschenden Enden, die sogleich neue Fragen aufwerfen. Sie spielt mit verschiedenen Realitäten und wie die Menschen diesen begegnen - die Erzählungen sind sehr vielfältig, ihnen gemein ist eine gewisse Surrealität, die den Alltag konstruiert. Sehr interessant und lesenswert!

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