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Zwischen den Jahren

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Katerina Schiná:

Die Nadeln des Aufstands

Katerina Schiná entstaubt mit ihrem vielfältigen Buch den Blick auf eine uralte Tätigkeit, die innig, subversiv oder rebellisch sein kann. Eine, die sich in der Geschichte, der Literatur, Musik und auch der Naturwissenschaft niedergeschlagen, die Politik gemacht und grandiose Kunstwerke hervor gebracht hat. Sie macht klar, dass Stricken keinesfalls ein "antifeministischer Anachronismus" ist, sondern eine Kulturtechnik, die unabhängig machen wie verbinden kann. Katerina Schiná ist ein persönliches Sachbuch gelungen, das mag ein Widerspruch in sich sein, trifft es aber in meinen Augen ganz genau. 

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Bernd Brunner: Das Buch der Nacht

In mehr als dreißig vorzüglichen Essays entführt Bernd Brunner in die Nacht. Die der Pflanzen, Tiere, Menschen und Städte. Der Träumer und Schlaflosen, der Tänzer, Teufel, Nachtarbeiter oder Forscher. Er zitiert Dichter und Wissenschaftler, blickt aus verschie-denen Winkeln auf das Phänomen der Dunkelheit und dessen ungebrochene Faszination.

Das sehr schön gestaltete Buch ist zugleich eine Geistes- und Kulturgeschichte, es ist so vielfältig, dass man ihm gerne einige Stunden Schlaf opfert. 

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Dezember 2021

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Frída Ísberg: Lederjackenwetter

Eine junge Stimme der isländischen Poesie, die hier erstmals auf Deutsch zu lesen ist. Frída Ísberg lotet in ihren Gedichten das Verhältnis eines Ich zur Welt aus. Sie spielt die Frage: wie dick muss die Haut werden, um die Welt auszuhalten, wie dünn muss sie bleiben, um die Empfindsamkeit nicht zu verlieren? in vielen Variationen durch. Sie verbindet eine scheinbar schlichte Sprache mit eigenwilligen Bildern, schafft Gedichte, die unter die Haut gehen und den Geist weiten. Eine schöne Lektüre, auch dank der gelungenen Übersetzung.

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Isabella Huser: Zigeuner

Die 1958 in der Schweiz geborene Autorin, über die Vaterseite zu den Jenischen gehörend, rekonstruiert die Geschichte ihrer Familie. Zentral dabei die Praxis der "Kindwegnahme", die, um die jenische Kultur zu tilgen, bis in die 1970er Jahre hinein praktiziert wurde. Isabella Huser erschafft lebendige Personen, geht zurück bis ins 17. Jahrhundert, verfolgt die Entstehung der modernen Schweiz und geht auf verschiedensten Ebenen der Frage nach: Was macht "das Fremde" aus, was "das Heimische"? 

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Anita Sansone Cotti (Text,

nach Adalbert Stifter) & 

Maja Dusíková (Illustration): Bergkristall - Der Heilige Abend

Anita Sansone Cotti erzählt die berühmte Novelle Adalbert Stifters aus dem Jahr 1845 für Kinder ab drei Jahren nach. Sie konzentriert sich dabei ganz auf die beiden Hauptpersonen Konrad und Sanna, Kinder, deren Eltern aus verschiedenen Dörfern stammen, die nicht nur durch einen Berg getrennt sind. War die Mutter im Dorf des Vaters immer eine Fremde geblieben und auch die Kinder nicht als Einheimische angesehen, ändert sich dies erst mit einer dramatischen Nacht und Suche nach Konrad und Sanna in den Bergen. Diese Suche überwindet das Trennende der Dörfer und der Menschen. Maja Dusíkovás Illustrationen holen die Erzählung in eine märchenhafte Welt, in eine, die auch die Jüngsten schon verstehen. Ein schönes Buch, nicht nur für Weihnachten.

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Lukas Holliger: Unruhen

In sechzehn luziden und brillanten  Erzählungen durchleuchtet Lukas Holliger die Fragilität der Welt. Seine Protagonisten schwanken, straucheln, kippen aus der Realität in die Phantasie. Sie suchen nach einer Logik im Leben, verraten andere, um sich zu retten, verfangen sich in Zeitschleifen. Sehr kunstvoll verortet Holliger seine Figuren in der Welt, ihre psychischen Zustände korrespondieren mit ihrer physischen Umgebung. Er stellt Fragen, begibt sich ins Universum hinaus und schenkt seinen letzten Satz einer Hummel.

Gibt es die Logik im menschlichen Leben?

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