_____________________________________________________

Dezember 2015 

_____________________________________________________

Dino Buzzati:

Aus Richtung der unsichtbaren Urwälder

Voller Ironie, Poesie, Liebe und dem Blick für menschliche Schwäche zeichnet Buzzati in jeder Erzählung ein Bild des Scheiterns. Absurde Begebenheiten widerfahren Menschen, denen an entscheidender Stelle Mut und Entschlossenheit fehlen, oder die einfach nur Pech haben. Manchmal steht der Einzelne am Ende wirklich als Vereinzelter da, manchmal verliert er sogar das Verständnis für sich selbst, oft geht es nicht mit rechten Dingen zu - den Leser erwartet ein Feuerwerk an Ideen und Phantasie. Und das Schöne ist: Buzzati hat es nicht nötig, irgendjemanden persönlich lächerlich zu machen oder den moralischen Zeigefinger zu heben.

                                                                        Zur Besprechung

 

 

Klaus Modick: Sunset

Am 17. August 1956 erhält Lion Feuchtwanger in seinem kalifornischen Exil die Nachricht, dass sein Freund Bertold Brecht in Ostberlin verstorben ist. In zwölf Kapiteln, die den zwölf Stunden des Tages entsprechen, bedenkt Feuchtwanger all das, was sein Leben ausmachte. Er reflektiert dabei nicht "nur" das, was ihn mit Brecht verbindet, er zieht Linien von seinem Leben zu seinem Werk, denkt über Heimat und Exil, Sprache, Literatur und die Einflüsse nach, die das Leben bestimmen.  In zurückhaltender Art und Sprache gibt Modick seinem Roman eine Dimension, die über die Beschreibung eines bestimmten Lebens weit hinausgeht, indem er durch verschiedene Blickwinkel klar macht, dass es hier nicht nur um die Probleme eines Künstlers geht.

                                                                              Zur Besprechung

 

 

Johannes Anyuru:

Ein Sturm wehte vom Paradiese her

Der junge Autor Anyuru erzählt in diesem Roman das Leben seines Vaters. Dieser kam 1967 von Uganda nach Griechenland, um dort zum Kampfpiloten ausgebildet zu werden.

Als Idi Amin 1971 die Macht in Uganda an sich reißt, verändert dies das Leben Ps

(so wird der Vater genannt) vollständig. Er kann nicht mehr nach Uganda zurück, aber er will fliegen. In Europa geht das nicht, er nimmt eine Stelle in Sambia an, dort soll er Sprühflugzeuge fliegen. Das glaubt ihm niemand: er wird in Tansania als Spion verhaftet, sitzt im Gefängnis, in Lagern. Er kann fliehen, aber ein neues Leben beginnen kann er nicht. Dafür ist zu viel passiert. Eindrucksvoll und sehr reif zeichnet Anyuru die Lebensgeschichte des Vaters nach, der in die Mühlen der Weltgeschichte geriet.

                                                                              Zur Besprechung

 

 

Jenny Erpenbeck:

Gehen, Ging, Gegangen

Der emeritierte Professor Richard nimmt Kontakt auf zu den Flüchtlingen, die von 2012-14 auf dem Berliner Oranienplatz leben und dort gegen das deutsche Asylrecht protestieren.

Er lernt die Männer und die Justiz kennen, verfolgt ihre von Beginn an zum Scheitern verurteilten Versuche, in der deutschen Gesellschaft Fuß zu fassen. Erpenbeck hält sich an die Chronologie der Ereignisse und gestaltet aus diesen einen Roman, der in seiner literarischen Wirklichkeit die Realität schmerzlich reflektiert. Ihr Verdienst ist, dass sie aus den anonymen Flüchtlingen Menschen schält, die trotz traumatischer Erlebnisse willens sind, ihre Zukunft selbst zu gestalten. Wenn man sie denn ließe.

                                                                            Zur Besprechung