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August 2023

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Teresa Ciabatti: Die schönen Jahre

Die Erzählerin und Federica waren einst enge Freundinnen. Gemeinsam beteten sie Federicas Schwester Livia an, sie verkörperte das Ideal absoluter Schönheit. Mit einem Unfall Livias verändert sich nicht nur deren Leben, sondern das aller. Als sich die beiden Jugendfreundinnen nach 30 Jahren wieder sehen, werden Erinnerungen wach, mit ihnen alte Verletzungen, niemals verwundene Demütigungen - und eine nie eingestandene Schuld. Schnörkellos und klar ist der Stil Ciabattis, sie entwickelt lebensechte Figuren, schichtet verschiedene Zeitebenen ineinander und erzählt auch die Geschichte der Generation, die Anfang der 1970er geboren wurde.

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Arno Tauriinen & Max P. Häring:

Goldgefasste Finsternis

Der Roman ist "Ein Luftschloss in Prosa", so der Untertitel. Er ist ein barockes Welttheater auf verschiedenen Bühnen, opulent, assoziativ und schwebend illustriert von Max P. Häring. Er beginnt vor Beginn der Zeit, er endet in einer unbestimmten Zeit, diese wurde angehalten. Der Schauplatz ist "W.", unverkennbar Wien, eine Stadt, die von Luciver persönlich geschaffen wurde. Er wollte damit seinem Vater Gott imponieren, doch der ist alt, griesgrämig und mit nichts zufrieden. Es treten Künstler, Psychoanalytiker, Beamte, Kleriker und viele viele andere auf, sie alle sind so real wie irreal - diese Kategorien sind sowieso nichts als Rauch! Dieser schillernde Roman wurde aus einem Konvolut an Zetteln extrahiert, er ist ein Sprachwunder, das seines-gleichen sucht. Man kann nichts als staunen, sich wundern, sich hineinziehen lassen in diese große Maschinerie namens Leben.

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Steven Uhly: Die Summe des Ganzen

Ein junger Mann kommt täglich in eine kleine Kirche, um dort zu beichten. Nur scheibchenweise kann er von seiner Sünde, die er "unvermeidlich" begehen wird, berichten, dann flieht er. Mit den Brocken, die er dem Padre hinwirft, entfacht er dessen besiegt geglaubte Begierde, schließlich Eifersucht, Gefühle, die sich sintflutartig Bahn brechen. Steven Uhly erzählt in einer seltenen Kombination von Einfühlsamkeit und Spannung von den Folgen des sexuellen Missbrauchs junger Menschen, die ein Leben an diesen Taten zu tragen haben. 

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Solvej Balle:

Über die Berechnung des Rauminhalts I

Tara fährt zu einer Messe, sie handelt mit antiquarischen Büchern. Noch vor ihrer Rückkehr nach Hause zu ihrem Mann Thomas wird ihr klar, dass sie in ein Zeitloch gefallen, in einer Zeitschleife gefangen ist. Sie erlebt den 18. November immer und immer wieder, während er für alle anderen jeden Tag neu ist. Diese gegenläufige Bewegung, die schwer mit der gängigen Logik zu fassen ist, treibt das Paar auseinander, zu groß wird der Abstand mit der Zeit. Solvej Balle schreibt in diesem ersten eines auf sieben Bände angelegten Romanprojekts über Zeit und Raum, Unerwartetes und Unerklärliches, über Distanz und Nähe, Muster, Routinen und Details. Sie beschreibt das Sein des Menschen in der Welt, zugleich entkoppelt sie die Fiktion von der Realität. Ein äußerst faszinierender Roman, der fragt, ob jeder in seiner eigenen Welt lebt, wenn nicht einmal mehr die Zeit eine Verbindung herstellen kann, glänzend übersetzt von Peter Urban-Halle.

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Julie Morstad: Zeit ist eine Blume

Julie Morstads wunderschönes Bilderbuch für Lesende jeden Alters umkreist ein schwer zu fassendes Phänomen auf sehr poetische Weise. Was ist die Zeit? Worin zeigt sie sich? Wohin geht sie? Uhren, Blumen und Bäume, Kieselsteine und Haare, Fotos und Erinnerungen, Sonnenstrahlen und Lieder und noch viele weitere `Dinge´ erscheinen und vergehen, kommen wieder. Ist die Zeit eine Linie oder ein Kreis? Sicher ist: Sie wohnt auch in den Menschen drin. Was sie auf alle Fälle ist: Ein Abenteuer. Die klaren, pointierten und in ihrer Stimmung sehr unterschiedlichen Zeichnungen symbolisieren das Werden und Vergehen, sie sind nachdenklich, bewegt, lustig.

Ein abwechslungsreiches Buch, das viel Spaß macht.

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Roland Freisitzer: Die Befreiung

Die junge Dirigentin Clara hat bereits die ersten Stufen der Karriereleiter erklommen. Dieser Weg endet abrupt, als sie öffentlich macht, von einem berühmten und gefeierten Maestro vergewaltigt worden zu sein. Man glaubt ihr nicht, in den Medien - der Stardirigent hat beste Kontakte - tobt eine Hetzkampagne gegen Clara. Roland Freisitzer, selbst Komponist und Dirigent, schreibt über das Machtgefüge in der Musikbranche, aber nicht nur dort. Er schreibt über toxische Männlichkeit, Brutalität und die Verfügbarkeit der Frau, überall auf der Welt. Eindrücklich und erschütternd ist dieser Roman, aber er ist auch eine Geschichte der Befreiung.

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