Jürg Schubiger/Wolf Erlbruch - Zwei, die sich lieben
Ein Bilderbuch über die Liebe, über sehr ungleiche oder unerwartete Paare, über das Suchen, Sehnen, Finden und auch das Abschied-Nehmen.
Verse, die das Herz erwärmen, Bilder, die mehr sind als Illustrationen - alles zusammen ein schmaler Prachtband nicht nur für den Frühling.
Zuerst muss natürlich die Frage geklärt werden, was das denn überhaupt ist, die Liebe.
Fixe Antwort: "eine Himmelsmacht, und zwar bei Tag wie auch bei Nacht."
Hier, in diesem ersten Gedicht, hat es eine Eule und einen Elch getroffen. Zusammen sitzen sie etwas ratlos auf einem Ast, den Blick auf den Betrachter gerichtet, vorsichtig aneinandergelehnt. Man hört geradezu das Seufzen, denn die beiden sind wahrscheinlich selbst ganz überwältigt und müssen das neue Gefühl erst noch begreifen lernen.
Ein Schaf, noch in der Kittelschürze des Tages, mit wärmenden Puschen an den Füßen, sitzt nachts auf der Wiese (ganz nah am Abgrund) und schaut mit großen, sehnsuchtsvollen Augen in den Himmel.
"Sterne, ach" ist dieses Gedicht überschrieben, die Sterne werden abgezählt wie die Blütenblätter der Margeriten.
"Er liebt mich, er liebt mich nicht, er liebt mich sehr", der Klassiker, hier liebevoll in Szene gesetzt mit diesem Schaf, das sich im Schutz der Dunkelheit eine Weile aus dem Alltag ausgeklinkt hat und an den Liebsten denkt.
In der "Kunst des Küssens" üben sich ein Mäuschen und eine kopfüber an einem Grashalm hängende Schnecke.
Lange wussten sie nicht, wie man das macht, das Küssen, aber als sie es ausprobiert hatten, war klar, dass es ganz einfach geht.
Die Froschdame Viktoria ist glücklich, dass sie zu Hause war, als das Glück sie heimsuchte, Elch und Frosch finden nicht, dass sie Fremdlinge sind, kennen und mögen sie sich doch schon lange, sie riechen sich gerne und die Münder passen trefflich aufeinander. Wenn der Grashüpfer da ist, hüpft das Herz des Hasen genauso wie sein Geliebter und auch Fuchs und Gans finden Gefallen aneinander: wer könnte der Schönheit der lieben Grete widerstehen, die alle Schönheiten der Welt, von Nofretete bis Marilyn Monroe, überstrahlt?
Ja, sie liegt im Auge des Betrachters, die Schönheit des Liebsten und sie liegt im Geheimen, die Liebe, in der Stube des Herzens, dort "wo wir am scheusten sind."
Am Ende muss das Eichhörnchen das Federvieh ziehen lassen. Es erbittet sich noch ein Ei und es wünscht der Freundin viel Glück - zurückkommen möge sie nicht, auch wenn es sie sehr vermissen wird.
Da hat das elegante weiße Federvieh dem wuseligen Baumakrobaten schon den Rücken zugekehrt, noch wagt es nicht in die Ferne der Zukunft zu blicken, es schaut traurig zu Boden. Der Abschied ist auch für den, der geht, immer eine vertrackte Sache.
Aber das ist zum Glück nicht das letzte Gedicht des Buches. Es folgen noch "Im Norden" - da ziehen die Bären manchmal den Pelz aus, um dem anderen näher zu sein - und der "Liebesbrief": der ist so dunkel und so tief wie der Wald oder die Nacht. Er ist schlicht und schön:
"Mein Herz klopft laut
an deine Tür
und du rufst: Herein!
Weil: Ich will nicht ohne dich,
sondern viel lieber mit dir sein."
Bär und Bärin sitzen Arm in Arm und schauen in die Sonne...
Wolf Erlbruch zeichnet und malt in einem unverwechselbaren Stil. Seine Figuren sind sehr lebendig, selbst geschlossene Augen nehmen ihnen nichts von ihrer Ausdrucksstärke und sie verfügen über eine deutliche Körpersprache. Sie sind nicht das, was man als kindlich oder niedlich empfindet, sie sind weitab von allem Kitsch, den man in vielen Bilderbüchern findet.
Viele Preise würdigen sein Werk, u.a. der Hans-Christian-Andersen-Preis.
Jürg Schubiger promovierte über Franz Kafka und war als Psychologe in seiner eigenen Praxis tätig, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete. Auch seine Bücher wurden mit einer großen Zahl von Preisen ausgezeichnet.
Die beiden Künstler erschufen gemeinsam mehrere Bücher, alle sind überaus gelungen und aus einem Guss.
Sie überzeugen Kinder und Erwachsene - für mich ein Kriterium für ein gelungenes Kinderbuch.
Jürg Schubiger/Wolf Erlbruch: Zwei, die sich lieben
Peter Hammer Verlag, 2012, 48 Seiten