Oyvind Torseter - Der siebente Bruder oder

Das Herz im Marmeladenglas

Text und Bild aus einer Hand: das gibt eine runde Sache. Und wenn der Schöpfer dann noch so viel Phantasie und Geschick hat wie der 1972 geborene Künstler Torseter, bleibt kein Leser, egal wie alt, ungerührt. Empfohlen wird das Buch für Menschen ab 10 Jahren, doch erwachsene Leser haben garantiert auch ihren Spaß.

 

Die Geschichte beginnt mit ihrer Vorgeschichte, die ganz dem Märchen nachempfunden ist. 

"Es war einmal ein König, der hatte sieben Söhne.  Die liebte er so sehr, dass er keinen von ihnen missen wollte...."

Aber wie das eben so ist: irgendwann wird es Zeit, das Elternhaus zu verlassen und auf Reisen zu gehen.

Die sechs älteren Söhne bekommen jeder ein schönes Pferd und machen sich auf zur Brautschau. Der Jüngste bleibt zu Hause, ihm sollen die Brüder dann eine Frau mitbringen.

Doch es kommt zu einer unerwarteten Komplikation:

die Brüder werden unterwegs von einem Troll in Steine verwandelt. Samt der frisch gefundenen Bräute.

Nachdem Vater und Hans, der siebente Bruder, lange genug gewartet haben, macht Hans sich auf den Weg, die Brüder zu suchen. Mit einem alten Klepper, der sehr an den Esel

Sancho Pansas erinnert.

 

Das Pferd hat überhaupt keine Lust, loszuziehen. Maulend und etwas unwillig trabt es vor sich hin, doch bald geht es flüssiger.

Der erste unerwartete Fund ist ein Saxofon. Sie nehmen es mit. Vielleicht kann man das ja noch brauchen.

Die zweite Begegnung: ein Elefant, der rüsselüber in einem Baumstumpf steckt. Eine echte Klemme, gut, dass Hans ein Beil dabei hat und ihn befreien kann.

Die erste Nacht verbringen sie in einer Höhle. Sehr gechillt hängen die beiden am Lagerfeuer, das Pferd ein bisschen unruhig, weil er daran denkt, dass ein Wolf auftauchen könnte. Kaum hat er das Wort "Wolf" ausgesprochen, da steht auch schon einer da, ein hungriger dazu.

Doch Hans trickst ihn aus und weiß jetzt sogar, wo er den Troll findet, der die Brüder versteinert hat.

 

Aber nicht nur den Toll, sondern sein Herz muss er finden und vernichten. (Es befindet sich nicht in seiner Brust.)

Dann erst sind seine Brüder, ihre Prinzessinnen und auch

die Prinzessin frei, die in der Gewalt des Trolls im Inneren des Berges ihr trauriges Dasein fristet.

Als Hans ankommt, liegt sie gemütlich im Bett und liest.

 

Wieder müssen diverse Listen angewandt werden, um erst einmal herauszufinden, wo genau das Trollherz ist.

Natürlich ist es ganz im hintersten Eck der Höhle in einem alten Schrank - in einem Marmeladenglas. Um dorthin zu gelangen braucht Hans Hilfe, aber er war ja so schlau, sich unterwegs ein paar Freunde zu sichern, die kann er jetzt per Gedankenkraft herbeizaubern und alles läuft wie am Schnürchen.

 

Genaueres soll hier nicht verraten werden, nur soviel:

es wird gefährlich, aber nie so, dass irgendjemand die Nerven verliert. Schwierige Entscheidungen müssen getroffen werden, und sie werden getroffen.

Sowohl Hans als auch seine Prinzessin zeichnet aus, dass

sie sehr lässig mit jeder Situation umgehen - auch mit den schwierigsten.

Der Troll ist klassisch blöd und er lässt sich durch seine eigene Geschwätzigkeit besiegen. Er verrät nämlich selbst, wo das Herz ist. Ohne diesen Hinweis hätten es die beiden Helden kaum jemals gefunden.

 

Am Ende sausen Brüder und Bräute davon, sobald sie sich wieder bewegen können, aus dem zerquetschten Trollherz sprießt eine Blume und unser Hans und seine Frau sausen

auf dem alten Klepper "weit,  weit weg." Begleitet von sanften Saxofon-Tönen, der Krake spielt ein Solo.....

 

Ganz wunderbar ist die eigenwillige Farbgebung:

wenn etwas Gutes passiert, herrscht ein helles Sonnengelb vor. Das ist beispielsweise auch dann der Fall, als die Prinzessin den Troll anlügt. Darf man ja nicht, muss aber

hier sein, um voranzukommen.

Ungewisse Situationen sind in hellem Rot, das auch mal ins Pink-Orange spielt, gehalten.

Wenn das Rot sehr in Richtung Braun geht oder gar Dunkelbraun wird, dann wird es echt gefährlich.

Blau ist nur die Nacht und all die anderen Oliv-, Grau oder Rosatöne stehen für - sehen Sie selbst.

Dick Weiß auf Tiefschwarz brüllt jedenfalls nur der Troll. 

 

Die Geschichte hat alle Elemente, die ein gutes Märchen braucht. Sie ist rasant erzählt, hält sich nicht an Nebensächlichkeiten auf, sondern konzentriert sich auf

das Wichtige. Der kleinste Bruder ist, wie sich das gehört,

der mit dem miesesten Pferd und dem größten Mut,

Verstand und Herz. 

Modern ist, dass die Prinzessin nicht passiv auf ihre Rettung wartet, sie greift ins Geschehen ein und kämpft selbst für ihre Freiheit.

 

Ganz bezaubernd eine kleine Szene: Hans hat sich gerade in den untersten Keller begeben, das erste Hindernis türmt sich vor ihm auf. Er verfällt nicht etwa in Hektik, er setzt sich hin, öffnet seinen Rucksack und sagt: "Ich brauch erst mal einen Kaffee." - das ist wunderbar aus dem Leben gegriffen und verbindet die Märchenwelt mit der täglichen des Lesers.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Oyvind Torseter: Der siebente Bruder

Übersetzt von Maike Dörries

Gerstenberg Verlag, 2017, 120 Seiten, durchgehend farbig illustriert und mit Lesebändchen versehen