Julia Strachey - Heiteres Wetter zur Hochzeit
Wie schön, dass der Dörlemann Verlag einen weiteren Roman aus dem Umfeld der Bloomsbury Group veröffentlicht hat. Diese eng mit Virginia Woolf verknüpfte Künstlergruppe hatte sich die Erneuerung der Kunst und Literatur auf die Fahnen geschrieben, in Woolfs Verlag Hogarth Press erschien 1932 auch Julia Stracheys Debüt, das nun erstmals in Deutscher Übersetzung vorliegt.
Der Roman Julia Stracheys (1901-1979) spielt in einem Landhaus in Dorset, an einem ganz besonderen Tag im März. Es ist der Hochzeitstag der dreiundzwanzigjährigen Dolly Thatcham, die den etwas älteren und blassen Owen Bingham heiraten soll.
Teetische werden vorbereitet, letzte Arrangements getroffen, die Familie versammelt sich. Dolly ist mit Ankleiden beschäftigt - und mit der Frage, ob es richtig ist, was sie hier tut.
"Die ganze Toilette wurde so durchgeführt, wie ein abgerichteter, aufrecht sitzender Elefant im Zirkusring Toilette mache würde - lustlos, unbeholfen, als wären ihre Arme bleischwer."
Anwesend ist auch Joseph, ihre Liebe aus dem vergangenen Sommer. Er ist ein eigenartiger Charakter, etwas brummig und widerborstig, nie zufrieden. Er sagt Sätze wie:
"Mein eigenes Ideal ist immer noch der gut gebaute, saubere englische Gentleman mit schmutziger Fantasie, und ich hoffe immer noch, so einer zu sein."
Das Hinreißende an diesem tragikomischen Roman sind die Personen, die Julia Strachey präzise, ironisch, mal bitter, mal süßlich, zeichnet.
Es gibt eine reichliche Zahl an Cousins, einer verschrobener als der andere. Freundinnen Dollys sind anwesend, der Kanonikus Dakin, ein Cousin der Mutter, der Dolly zum Altar führen soll, denn ihr Vater ist bereits verstorben.
Kitty, die siebzehnjährige Schwester, ist im besten Backfisch-alter, stets zum Kichern aufgelegt und nicht immer einer Meinung mit ihrer Schwester.
Es gibt Bedienstete, die sich streng an die Vorgaben der Herrschaft halten, und solche, die nach eigenem Gutdünken walten.
Über allem thront Mrs. Thatcham, die Mutter.
Sie taucht hier und da auf, stiftet Chaos, wundert sich stets über die Geschehnisse, denn alles scheint anders abzulaufen, als von ihr geplant. Dabei dürfte es wohl eher so sein, dass ihr Erinnerungsvermögen nachgelassen hat und sie nicht mehr weiß, was sie angeordnet hat.
Beispielsweise die Zimmerverteilung:
"Das violette Zimmer? Mum, wie viele Leute sollen denn noch ins violette Zimmer? Bob! Mr Spigott! Tante Bella! Miss Spoon! - Nur schade, dass das Bett so schmal ist!", ruft Kitty ihrer Mutter zu.
Es gibt keine einzige Figur, die nicht durch ihre Schrullen glänzt - Julia Stachey setzt sie alle gekonnt in Szene.
Ihr Roman hat viel von einem Kammerstück, denn alles spielt sich innerhalb weniger Stunden an einem Ort ab.
Die Hochzeitszeremonie in der Kirche verpassen die LeserInnen, denn anstelle dieser lauschen sie den Gedanken Josephs, der schwer hadert und nicht weiß, was er tun soll.
Womit ich wieder bei Dolly wäre. Von heftigen Zweifeln geplagt, sucht sie Trost bei einer Flasche Rum, kippt sich noch ein Tintenfass über das Brautkleid und verlässt ihr Zimmer erst, nachdem die Trauung offiziell schon begonnen hatte...
Sie ist die tragische Figur in einer komischen Welt, die von der jungen Autorin mit viel Witz, Charme und einer ganz eigenen literarischen Stimme porträtiert wird.
Und deren Freude an der Sprache auch vor Hüten nicht Halt macht:
"Tante Katies Hüte sahen immer aus wie mediterrane Gärten in voller Blüte. Heute war ihr Hut seltsam groß und flach und trug auf seiner Krempe gleichmäßiges Buschwerk aus schwarzen Kirschen, lila und roten Geranien, gelb gesprenkelten Stiefmütterchen, irgendetwas Spitzem, Grünlichem - Hafer oder Fischadler - und wer weiß was sonst noch. Einige blasse rosa-silberne Rosen hoben sich vom Rest ab und wirkten wie kultivierte, blonde englische Baroninnen zwischen einer Horde Zigeuner. Sah man in ihre großen, faltigen, aschrosa Gesichter empfand man kühle Erleichterung, als senke sich der Abend auf das Gleißen des Tages."
Und das Wetter? Es ist kalt und stürmisch, kein frühlings-haftes Lüftchen weit und breit. Das hält Mrs Thatcham nicht davon ab, ihrer Freundin am Telefon zu erzählen:
"Ja - und dann hatten wir natürlich so wunderbar heiteres Wetter bei alledem! Die kleine alte Kirche sah so hübsch aus im Sonnenschein..."
Die gute Miene muss bewahrt bleiben, in diesem sehr englischen, äußerst vergnüglichen Roman.
Julia Strachey: Heiteres Wetter zur Hochzeit
Aus dem Englischen von Nicole Seifert
Mit einem Nachwort von Frances Partridge
Dörlemann Verlag 2021, 160 Seiten
(Originalausgabe 1932)