Anita Sansone Cotti (Text - nach Adalbert Stifter) & Maja Dusíková (Illustration) -
Bergkristall: Der Heilige Abend
Adalbert Stifters berühmte Erzählung aus dem Jahr 1845, nacherzählt von Anita Sansone Cotti für Kinder ab drei Jahren. Sie macht den Weihnachts-klassiker, der von Konrad und Sanna, von einer ausweglos scheinenden Situation und dem Weihnachtswunder berichtet, schon für ganz junge GeschichtenliebhaberInnen verständlich.
Die Eltern von Konrad und Sanna stammen aus verschie-denen Alpendörfern. Getrennt sind diese nicht nur durch einen hohen Berg, sondern auch durch eine andere Mentalität und einer gewissen Rivalität. So kommt es, dass die Mutter der Kinder, die aus Millsdorf stammt und nach Gschaid heiratet, "immer von allen Gschaidern als Fremde angesehen" wird. Auch die Kinder gehören nicht ganz dazu - das ändert sich erst nach einem dramatischen Ereignis.
Am Weihnachtstag wandern die Kinder über den Berg zu den Großeltern, um die Weihnachtsgaben zu bringen. Sie werden mit offenen Armen empfangen und mit vielen Leckereien und Ermahnungen, auf dem Rückweg ja gut aufzupassen, wieder nach Hause geschickt. Doch es beginnt quasi aus heiterem Himmel zu schneien. Die Kinder finden die Wegmarken nicht mehr, steigen bergauf statt bergab und verlieren sich völlig im undurchdringlichen Weiß. Hoch oben am Gletscher finden sie einen Unterstand, dort verbringen sie die Nacht. Und werden des Weihnachtssternes ansichtig!
Als es hell wird, kommt der Vater ihnen mit einigen Männern aus Gschaid entgegen, die Kinder sind gerettet.
Was für ein Fest! Die Freude kennt keine Grenzen - und:
"Konrad und Sanna gehören von diesem Tag an ganz zum Dorf. Sie werden jetzt nicht mehr als Auswärtige, sondern als Einheimische betrachtet, die man gemeinsam vom Berg herabgeholt hat. Ihre Mutter ist nun ebenfalls daheim in Gschaid."
Adalbert Stifters Erzählung legt viel Wert auf Naturbe-schreibungen. Auch gibt es einen deutlich religiösen Grund, auf dem die Geschichte steht.
Anita Sansone Cotti konzentriert sich hingegen ganz auf die Kinder. Diese sind sehr vertraut mit der Natur, sind auch noch zu jung, um die umgestürzte Unglückssäule, die die Passhöhe markiert, als einen Vorboten für Schwierigkeiten zu deuten. Auch als sie den Weg nicht mehr finden, beruhigt Konrad, der einige Jahre Ältere, die kleine Schwester mit den Worten: "Verzweifele nicht, folge mir..."
Er sorgt dafür, dass Sanna nicht einschläft, da hilft auch der Kaffee, den die Großmutter für die Mutter mitgegeben hat.
Den ihnen erscheinenden Weihnachtsstern "starren (sie) mit großen Augen" an, dieses Zeichen der Geburt Christi, dieses Symbol des Lebens, ein Wunder an sich, bleibt von der Autorin unkommentiert.
Man mag das als Manko des Buches ansehen, oder als Möglichkeit für die Vorlesenden, diesen Aspekt selbst einzubringen, wenn sie es wünschen.
Für Anita Sansone Cotti steht die Überwindung der Fremdheit im Vordergrund. Durch die Rettungsaktion der Kinder, die von beiden Seiten des Berges aus stattfand, von Millsdorf und Gschaid aus, versöhnten sich die Menschen.
Dies ist das konkret sichtbare Weihnachtswunder.
Maja Dusíková hat das Buch mit traditioneller Aquarell-malerei illustriert. Die Bilder haben den lieblichen Charme des 19. Jahrhunderts: Die Frauen tragen lange Kleider mit Schürze, Sanna ein Pelzjäckchen, Konrad Kniebundhosen, die Männer Janker und Filzhüte. Die Dörfer sind ohne Schmutz, die Natur betörend schön.
Damit gibt sie der für Erwachsene geschriebenen Erzählung ein märchenhaftes Kleid, eines, das auch die Jüngsten schon verstehen.
Zuversicht und Hoffnung sind die Grundstimmungen, nicht die Verzweiflung. Und der Gedanke, dass Empathie am Ende stärker ist als das Trennende.
Ein Gedanke, ein Buch, nicht nur für Weihnachten.
Anita Sansone Cotti (Text nach Adalbert Stifter) &
Maja Dusíková (Illustrationen):
Bergkristall - Der Heilige Abend
Bohem Press, 2021, 32 Seiten Hardcover