Was für ein schönes Geburtstags-geschenk für Georg Baselitz:

Am 23. Januar 2018 ist er achtzig Jahre alt geworden, an diesem Tag erschien der "Wunderwald."

Es ist ein Buch für Kinder, das eines ganz deutlich macht: die Fantasie ist stärker als jede Gängelung und muss unbedingt verteidigt werden.

Schon zu Beginn seiner Schulzeit muss sich Georg anhören, er sei eine "Dauer-Extrawurst", nicht einmal könne er "so wie alle anderen." In Reih und Glied stehen sie da, die Kinder, hinten rechts der Lehrer mit ziemlich desillusioniertem Blick, und links hinten sieht man zwei Beine in die Luft ragen, da steht einer auf dem Kopf!

Der Junge liegt im Bett und träumt, er sitzt auf der Wiese und malt, ein vorbeikommender Vater warnt seinen kleinen Sohn, ja nicht so zu werden "wie DER da."

Bald fliegt er raus aus seiner Klasse, doch in der Parallel-klasse bei Frau Y ist es nicht besser als bei Herrn X.

Georg grübelt, probiert, er vergisst die Welt um sich herum. Er malt, denkt, träumt. Seine treuen Gefährten und Begleiter sind Elke, Adler und Hund. Sie ermutigen ihn, weiter zu machen, das tut er auch. Bis er sich eines Tages "bis ans Ende der Erde zum unendlichen Weltall hindurchgegraben hat - da überkommt ihn eine geradezu sprühende Idee!"

Man sieht die Erdkugel. Oben ist alles richtig herum, aber unten stehen der Maler und sein Hund auf dem Kopf. Klar.

Wie sollte es anders sein, schließlich müssen ja die Füße auf dem Boden bleiben, sonst würde man ins Weltall taumeln.

Damit ist die Idee nicht mehr nur Idee, Georg setzt seinen veränderten Blickwinkel in die Tat um und malt ihn aufs Papier. Die Welt staunt, steht Kopf und Georg ist plötzlich berühmt.

Die Leute stehen vor dem verzauberten Wald und erfreuen sich an der Einzigartigkeit der neuen Welt - es bleibt natürlich nicht aus, dass einige murren, so ist es immer, wenn jemand etwas Neues macht.

Aber: zum Glück lässt Georg sich nicht beirren. Er malt weiter so, wie es ihm gefällt, sorum und andersrum, in kräftigen Farben, mit dickem Pinsel, mit Frechheit und Fantasie!

Die Auflösung der Gleichförmigkeit, das Hadern und Suchen, die Wut mancher Betrachter, aber auch das stete Weiter-machen, die Ermutigung der Freunde, das Überraschtsein der Menschen, die Freude über das Gelingen und im letzten Bild nochmal der junge Georg, der auf dem Boden sitzt und malt, daneben sein Hund, der zuschaut und alles ganz friedlich wirkt, all diese Entwicklungsschritte, Stationen, die damit einhergehenden Gefühle fangen der Text Roths und die gelungenen Illustrationen Albertis sehr schön ein.

Es ist ein expressives Bilderbuch geworden, eines, das den Maler Georg Baselitz würdigt und eines, das ganz locker in die Welt der modernen Malerei einführt.

Benita Roth & Gino Alberti:

Im Wunderwald mit Georg Baselitz

E.A, Seemanns Bilderbande, 2018, 24 Seiten komplett illustriert