Eva Menasse - Gedankenspiele über den Kompromiss
Der Literaturverlag Droschl hat eine neue Reihe kreiert: "Gedankenspiele über". Bislang sind vier Titel erschienen: "Glück", "Mut", "Neugier" und "Kompromiss".
Für alle Bände, denen im nächsten Jahr "Gelassenheit", "Faulheit", "Gelingen" und "Eleganz" folgen werden, konnten namhafte Autoren gewonnen werden -
für den "Kompromiss" die vielseitige Eva Menasse.
Ohne lange zu zögern, springt sie direkt in das Thema hinein: mit einer Erinnerung an ihre Kindheit, speziell die Aufforderung der Eltern an die beiden Töchter, stets kompromissbereit zu sein - darin waren sie kompromisslos!
Doch was ist der Kompromiss überhaupt?
Ein lauwarmes Treffen in der Mitte, das beide Seiten unbefriedigt zurück lässt?
Eva Menasse geht von verschiedenen Seiten an die Definition des Begriffes heran: philosophisch, politisch, historisch, dann kommt sie auf die Gegenwart zu sprechen, die sich sehr darin gefällt, kompromisslos zu sein, die eigenen Anschau-ungen rigoros durchzusetzen, als unbeugsam zu gelten.
"Kompromisse werden langsam und unter Schmerzen geboren. Sie erwachsen aus einer Zusammenarbeit, gegen die sich erst einmal alles sträubt: com-pro-missum."
Er "verlangt den Parteien viel ab", zu ihnen gehört, "dass auch die andere Partei berechtigte Forderungen hat."
Ein Leitsatz kristallisiert sich für die Autorin heraus:
"Es muss möglich sein, über alles zu sprechen, alles zumindest probeweise zu denken und zu formulieren."
Dieser Satz klingt erstmal schlicht, doch er hat es in sich.
Mit ihm ist über die political correctness nachzudenken, über die "kulturelle Aneignung", über verschiedene Strömungen innerhalb des Feminismus, über Verhaltens-weisen mancher Menschen im Internet, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, über Aussagen wie "mit Terroristen verhandelt man nicht" und weitere Punkte mehr - Eva Menasse gelingt es in ihrem glänzenden Essay, der keine fünfzig Seiten umfasst und kein Wort zu viel enthält,
eine große gedankliche Breite zu entwickeln.
Schlüssig, weiträumig, schnörkellos.
Sie bringt das Thema auf den Punkt und spricht sogleich die Einladung an die LeserInnen aus, über das eigene Denken
zu reflektieren. Spielerisches Nach- und Weiterdenken anzustoßen - dieser Aufforderung, die dem geistreichen Essay innewohnt, wird Eva Menasses "Gedankenspiel" gerecht. So funktioniert Aufklärung!
Eva Menasse: Gedankenspiele über den Kompromiss
Literaturverlag Droschl, 2020, 48 Seiten