Die Schöne und das Biest
Nach Jeanne-Maire Leprince de Beaumont
mit Bildern von Gabriel Pacheco
Ein sehr wohlhabender Kaufmann mit drei Töchtern, alle wunder-schön, aber nur eine hat auch ein gutes Herz. Durch ein Unglück verliert der Kaufmann fast sein gesamtes Vermögen, die Familie muss in ein bescheidenes Landhaus umziehen. Dann verliert er auch noch die jüngste Tochter an ein Biest - doch bald geschieht etwas völlig Unerwartetes. Das Märchen führt den Gedanken "Stärker aber noch als der Tod ist die Liebe" aus,
es erzählt ihn in einer wendungsreichen Geschichte.
Der Bohem Verlag hat eine wunderschön illustrierte Ausgabe des Märchens publiziert, dessen ausnehmend feine und zugleich ausdrucksstarke Bilder das Märchen auf einer zweiten Ebene erzählen.
Das Eingangsbild zeigt den Kaufmann mit einem kronen-artigen Kopfschmuck, neben ihm stehen die Töchter, in schönen Kleidern, mit feinem Schmuck und etwas weltab-gewandten Gesichtern. Die Jüngste trägt ein schulterfreies Kleid, ihr Kopfputz ist lockerer als der der Schwestern,
sie schaut in die andere Richtung - deutlich ist sie von der kleinen Gruppe abgesetzt. Sie ist eine eigenständige Person.
Die Familie steht am Hafen, Handelsschiffe liegen dort,
im Hintergrund ist eine Reihe großer Häuser zu sehen.
Die Farben sind sehr gedeckt, nur die Kleider leuchten
hervor und ein paar Bänder, die an Schiffen flattern.
Schon im zweiten Bild hat sich die Situation vollkommen verändert: die Gruppe steht vor dem schmutzig-grauen Landhaus, starr wie die nackten schwarzen Bäume stehen
die vier Personen davor.
Doch es kommen erfreuliche Nachrichten: ein Schiff ist in den Hafen zurückgekehrt, bald wird es den Vieren wieder
gut gehen. Der Vater reitet in die Stadt - aber das Schiff ist
so zerstört, dass er es nicht einmal mehr verkaufen kann.
Enttäuscht macht er sich auf den Heimweg und kommt an einem imposanten Schloss vorbei. Er findet den Tisch gedeckt, es brennt ein Feuer im Kamin. Der erschöpfte Kaufmann isst und schläft schließlich ein.
Am Morgen findet er den Frühstückstisch gedeckt, er meint, bei einer guten Fee eingekehrt zu sein.
Vor der Weiterreise erinnert er sich daran, dass seine jüngste Tochter eine Rose haben wollte. Er pflückt eine von einem Strauch, da ertönt ein "unglaubliches Brüllen". Ein Wesen, das den Kopf eines "schrecklichen Ungeheuers" hat, erscheint. Und spricht eine Drohung aus: "Du darfst die Rose behalten. Aber du musst mir eines versprechen: In sieben Tagen musst du mir deine jüngste Tochter schicken.
Wenn du dein Versprechen nicht hältst, werden du und
deine Tochter dafür büßen!"
Diese Szene ist von innen durch die großen Fenster blickend dargestellt. Einziger Farbtupfer ist die rote Rose, riesig und gebeugt ist das Ungeheuer mit seinem maskenhaften Gesicht und den spinnendürren Fingern zu sehen.
Verzweifelt kehrt der Vater nach Hause zurück.
Die Jüngste trägt ein schürzenartiges Kleid, der Raum ist trist, die Schwestern wenden sich ab.
Am siebten Tag verlässt die jüngste Tochter heimlich und gegen den Willen des Vaters das Haus. Sie geht zum Schloss.
In einem Saal findet sie eine goldene Harfe, eine Rose steht in einer bronzefarbenen Vase, ein Kanarienvogel singt in einem silbernen Käfig.
Dieser Vogel ist ein altes Sinnbild für nicht erfüllte Sehnsüchte - auch wenn der Käfig gold oder silbern ist, der Vogel ist ein Gefangener.
Da nähert sich das Biest. Das Mädchen erschrickt sehr, doch neben dem fürchterlichen Aussehen fällt ihm auch dessen Traurigkeit und Einsamkeit auf.
Das Biest hat sich fein gemacht, mit einer seidenen Schleife um den Hals, Schleifen auch an den Kniehosen, die Wangen sind gerötet. Es hat nichts Bedrohliches, dieses Biest.
Es hält sich fern, lauscht von Weitem den Harfenklängen.
Nach einigen Tagen bittet die Schöne das Biest, sie zu begleiten, mit ihr zu speisen - nun erfährt sie Tag für Tag seine Freundlichkeit, seine Kunst zu erzählen und "bald erfüllt fröhliche Heiterkeit das ganze Schloss."
Wuchs im vorigen Bild ein Rosenstrauch am Fenster hoch, und das innen im Raum, ist nun eine mit Rosen bewachsene Säule zu sehen. Festgebunden mit Schnüren ranken die Blüten nach oben, daneben steht ein kleines Wildschwein.
Dieses steht für Kampfesmut und ungezügelte Naturkraft. Aber es ist auch ein Symbol für Familie und Gesellschaft, weist also hier in die Zukunft.
In einem magischen Spiegel sieht die junge Frau, wie schlecht es ihrem Vater geht. Er leidet an Leib und Seele unter der Trennung von der Tochter und an dem Gedanken, sie bei einem Ungeheuer zu wissen.
Eine Wand des Raumes, in dem der Spiegel - getragen von einem Eber - steht, ist Rot.
Kündigt sich hier schon die Liebe an?
Monsieur Biest entlässt die Schöne, er kann nicht ertragen, sie so unglücklich zu sehen.
Mit Geschenken kehrt sie nach Hause zurück.
Nach einiger Zeit vermisst sie das Biest sehr. Im Bronze-spiegel sieht sie, dass es auf dem Boden liegt, "als wäre es tot."
Sofort reitet sie zum Schloss.
Der Waldboden ist Blau (Treue), Schnüre sind um manche Bäume gebunden, Kleid, Umhang und Haare flattern im Wind, das schwarze Pferd scheint kaum den Boden zu berühren.
In einer an Dornröschen erinnernden Szene findet die Schöne das Biest. Es liegt auf dem Boden in einer Ecke des Gartens, umrankt von roten Rosen, die Harfe lehnt an seinem mächtigen Leib, ein Arm liegt wie ein Fremdkörper auf dem Bauch, die Augen sind völlig verschattet.
Es fragt: "Warum bist du zurückgekommen?"
"Weil ... weil ich dich liebe. Das weiß ich jetzt."
In diesem Moment verwandelt sich das Biest in "einen hübschen Prinzen."
Er war verflucht worden, ein Kuss durch eine Frau, die ihn wirklich liebt, hat den Bann gebrochen.
Das Paar schreitet durch den Wald. An den Bäumen wachsen Rosen, gehalten von den Schnüren, begleitet von den kleinen Ebern. Mit einer unendlich grazilen Geste entlässt die Schöne den Kanarienvogel in die Freiheit.
Die vormals schwarzen Bäume tragen eine rote Färbung -
die Liebe ist nun überall.
Noch überrascht von ihrem Glück spiegeln die Gesichter der beiden Liebenden eher Stille und Demut als laut jubelnde Freude. Diese repräsentieren die Schweinchen, die ihre Nasen frech in die Höhe recken.
Die Farbgebung ist sehr harmonisch, gedeckt und zurück-haltend. Die Symbole fügen sich in die Geschichte ein, sie verstärken den Eindruck, vervollkommnen das Gesamtbild.
Gabriel Pacheco, geboren 1973 in Mexiko-Stadt, ist inter-national bekannt für seinen surrealistischen Illustrationsstil. In diesem berühmten Märchen hat er mit seinen feinen Zeichnung sowohl der Stärke als auch der Fragilität der Liebe Ausdruck verliehen.
Die Schöne und das Biest
nach Jeanne-Maire Leprince de Beaumont
Nacherzählt von Ji-young Min und Annabel Cammers
Illustriert von Gabriel Pacheco
Bohem Verlag, 2015, 32 Seiten, Hardcover mit Goldprägung
Für alle Leser ab fünf Jahren