Ortheil, Hanns-Josef
Hanns-Josef Ortheil: Faustinas Küsse
Als "Filippo Miller, Maler" trägt
Goethe sich in die Liste der Behörden ein, als er 1786 die Stadt Rom betritt.
Er will unerkannt bleiben. Doch der junge Giovanni Beri heftet sich an
seine Fersen, er ist ein Spion im Dienste Seiner Heiligkeit. Er wird zu Goethes Schatten, verfolgt ihn auf Schritt und Tritt und macht sich zur Aufgabe, diesem grüblerischen und zu viel redenden Nordmenschen römische Lebensart beizubringen. Das heißt nichts anderes, als ihn dem Leben zurückzugeben. Denn dass Goethe an einer schweren Krankheit leidet bemerkt Beri sehr schnell. Womöglich an unerwiderter Liebe? Die kann nur durch die Liebe einer echten Römerin geheilt werden. Die Geschichte entwickelt sich nicht ganz so, wie Beri es sich vorgestellt hat, aber eines ist sicher: die Wiedergeburt des Dichters findet nicht durch die Begegnung mit der Antike statt. Der Leser sieht den "Fremden" durch die Augen des jungen Mannes,
der einen unverstellten Blick hat und es liebt zu fabulieren.
Er ist ein wunderbarer Einfall des Dichters Ortheil, der ein federleichtes Buch voller Ironie und Überraschungen geschrieben hat, das bezaubert durch die Seelen-verwandtschaft zweier Menschen, die eigentlich getrennt durch Standesgrenzen nichts miteinander zu tun haben dürften. Dabei sind sie durch Literatur und Leben
aufs Engste verbunden.
Hanns-Josef Ortheil:
Das Kind, das nicht fragte
Der Ethnologe Benjamin Merz reist für eine Studie nach Sizilien. Dort führt er seine Kunst des Fragens zur Vollendung, er genießt das Vertrauen der Menschen, die ihn einen "Magier des Fragens"
nennen. Dies ist um so erstaunlicher, als Benjamin, der jüngste von fünf Brüdern, als Kind und Jugendlicher fast stumm war: er traute sich nicht zu fragen, nicht zu erzählen, zu groß war die
Gefahr, sich vor den Brüdern zu blamieren. Nun, mit fast vierzig, entwickelt er sich zu einem eigenständigen Menschen, dessen Leben sich fügt. Der autobiographisch gefärbte Roman erzählt die
Geschichte eines Lebens, das gelingt - beruflich und privat, denn Benjamin findet nicht nur sich selbst, sondern auch die Liebe.