Katrin Hofer Weber & Tatjana Mai-Wyss -
Anna mag Oma und Oma mag Äpfel
Annas Leben hat sich verändert, seitdem ihre Oma nicht mehr in dem schönen Haus am Obstgarten-weg wohnt. Doch wesentlich größer ist die Veränderung für die Oma, die nun in einem Seniorenheim lebt. Die zudem immer seltsamer wird, manchmal richtig gemein.
Sie ist nicht mehr die alte Oma.
Annas Oma leidet an Demenz. Was das ist und wie man damit umgehen kann, darüber klärt dieses Bilderbuch für Kinder ab 3 Jahren auf. Der Geschichte ist ein "Nachwort für Erwachsene und Betroffene zum Krankheitsbild" von Prof. Dr. Agnes Flöel beigefügt, das wichtige Erkenntnisse der Forschung knapp und verständlich zusammenfasst.
Eine wertvolle Hilfe, denn man ist so ratlos angesichts dieser grausamen Krankheit.
Auf dem ersten Bild ist Anna zu sehen, wie sie entspannt zu Hause auf dem Fußboden liegt und in einem Fotoalbum blättert. Eine riesige Katze liegt lächelnd auf dem Schaukel-stuhl, schaut Anna zu und verbreitet Gemütlichkeit.
Die Umgebung ist warm, geordnet, aber nicht zu sehr, alles ist harmonisch auf den Bildern von Tatjana Mai-Wyss.
"Heute besucht Anna Oma", so der Auftakt. Sie fährt mit ihrem Vater durch eine grüne Hügellandschaft, auch sie strahlt Ruhe aus, wirkt ein wenig aus der Zeit gefallen mit altmodischen Autos und einem Postbus.
Im Heim angekommen ist Anna irritiert, dass die Oma wenig Interesse an ihrem Besuch zeigt, das Foto eines jungen Mannes in der Zeitung scheint sie mehr zu beschäftigen. Auch im Café ist sie abwesend, Anna versteht nicht, was hier passiert.
Sie versteht auch nicht, dass der Mann auf dem Foto die Oma vermutlich an einen Freund aus fernen Tagen erinnert, den Karli, der schon gestorben ist.
Sehr einfühlsam und offen erklärt der Vater Anna, was es bedeutet, wenn jemand gestorben ist. Ebenso fein erklären die Eltern ihr, dass die Oma weder böse noch gemein ist, wenn sie eine Zeichnung Annas nicht beachtet, oder "gar nicht richtig guckt und auch nicht zuhört oder antwortet", wenn Anna sie etwas fragt.
Anna versucht zu verstehen, dass die Oma sich sicher freut, wenn sie Besuch bekommt, es aber nicht zeigen kann.
Es macht sie traurig, bringt sie aber auch auf eine gute Idee.
Ein altes Foto, auf dem die lachende Oma mit einem Mann, der ihr einen Apfel anbietet, zu sehen ist, inspiriert sie dazu, das nächste Mal Äpfel und Schäler mitzunehmen.
"Oma sieht Anna an, lächelt, nimmt einen Schäler und beginnt einen Apfel zu schälen. Anna nimmt den anderen Schäler, setzt sich neben Oma und beginnt ebenfalls einen Apfel zu schälen. Gemeinsam essen sie alle auf.
Jetzt lächelt auch Anna, denn sie weiß, dass ihre Idee mit den Äpfeln in Omas Kopf angekommen ist."
Mit einfachen Worten beschreibt Katrin Hofer Weber die Idee Annas, ihre Handlung und ihre Gefühle. Ohne das Konzept der "Erinnerungstherapie" zu kennen, hat sie einen Weg zu ihrer Oma gefunden, der beide glücklich macht.
Auf dem letzten Bild stehen sie in inniger Umarmung vor einem Baum, der viele Früchte trägt und in der Art eines Lebensbaumes gezeichnet ist, dem alten Symbol für Heilung.
Demenz ist eine Krankheit, die noch nicht geheilt werden kann. Immens wichtig ist es, zu versuchen, die betroffenen Menschen zu verstehen. Deren Persönlichkeit verändert sich, die Hilflosigkeit nimmt zu, die Geduld der Angehörigen wird arg strapaziert.
Das Buch von Anna und ihrer Oma zeigt, dass es möglich ist, auch ohne Worte in Kontakt zu treten, Gefühle auszu-drücken, sich miteinander zu freuen.
Es ist eine große Hilfe für all die Eltern, deren Kinder Omas und Opas haben, die an dieser Krankheit leiden.
Es ist aber auch eine schöne Geschichte für alle anderen, denn sie führt vor, dass man nicht machtlos ist, dass man mit Fantasie und kleinen Taten Großes bewirken kann.
Katrin Hofer Weber (Text) & Tatjana Mai-Wyss (Illustration):
Anna mag Oma und Oma mag Äpfel
mit einem Nachwort von Prof. Dr. Agnes Flöel
Bohem Press, 2022, 40 Seiten, Hardcover, vollfarbig