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Bernd Marcel Gonner - Sediment und Sedum
Sedimente, auch als Ablagerungs-
oder Schichtgesteine bezeichnet, sind der Grund, auf dem das Sedum, ein Dickblattgewächs, hier symbolisch genannt für die unzähligen anderen Arten, die auf magerem Grund gedeihen, wächst. Auf den Beobach-tungen des Autors und deren Einordnung in naturkundliche sowie kulturelle Zusammenhänge, auf der Wahrnehmung und Bearbeitung der Natur also, fußt sein Werk, das im Jahr 2021 mit dem Deutschen Preis für Nature Writing ausgezeichnet wurde.
Bernd Marcel Gonner, geb. 1966, studierte in Bamberg, lebte in Berlin und kehrte zurück nach Franken, ins Obere Taubertal, in dem er seine Kindheit verbracht hatte. Hier erwarb er 2010 einen alten Hof, den er seitdem pflegt, mit ihm lebt.
Er fängt von Grund auf an:
"Wer den Boden nicht begreift, der begreift gar nichts von dem, was obenauf abgeht..."
Und:
"Ohne Sensen, Schafe oder Ziegen geht nichts in diesem Gelände - oder alles wieder verloren und unter, an gewonnenem Grasland wie an blankem Steinrain."
Er beschreibt die Arbeit, die nötig ist, um eine solche Land-schaft zu erhalten, aber auch, dass es manchmal besser ist, "die Gegend lassen üben", einfach nur zu schauen, was sich entwickelt.
Überhaupt das Schauen: es fügen sich lange Aufzählungen von Pflanzen in den aus vielen Mosaikstücken montierten Text ein, die Namen klingen, die Listen entfalten den Rhythmus von Gedichten.
Pflanzen und ihre Tricks, Insekten anzulocken, die Beschaffenheit von Muschelkalk (er enthält weder Muscheln noch andere Fossilien), die Veränderungen der Architektur im 19. Jahrhundert, alter Hausmüll, der ins Gelände geworfen wurde (man hätte Installationen daraus fertigen können), die Betrachtung alter Fotos, Erinnerungen an die Kindheit, die Vorzüge des neuen Traktors - Bernd Marcel Gonner streift alle Aspekte seines Lebens in diesem Tal, in dem kaum Ackerbau möglich ist, dafür ist es zu steil.
Die Beschreibungen sind präzise und voller Poesie:
"AUFSTIEG ZUM TROCKENRASEN 5 Kriechende Hauhechel wirft ihre Arme wie zum Sonnenbad (oder sage ich besser: divenhaft?) auseinander. Jeder Zweig und Zweigfortsatz ein Dorn. Ein Schmerz. Ein böser (oder augenzwinkernder?) Scherz. Tief drachengrün, mit scharfen Zähnchen (wie Diamanten für die Dame) rundum besetzt die Blätter. ..."
In die eigenen Beobachtungen fügt Gonner Zitate aus historischen Sachbüchern ein, die noch einmal einen weiteren Ton in dieses vielstimmige Werk bringen.
Zum Beispiel:
"Möge jeder selber diese tote Namensliste, sei es in der Erinnerung, sei es an Ort und Stelle, zu einem Auge und Gemüt erfreuenden Stück Steppenheideland umwandeln, Worte sind ja doch ohnmächtig vor dem Zauber solcher Heideblumen - "
Ja und nein. Worte können zaubern, einen Zugang schaffen, zur Natur, zur konkreten Arbeit mit, in und an ihr.
Ein poetischer Flug durch Frühling, Sommer und Herbst, begleitet von Zeilen des Romantikers Joseph von Eichendorff, beendet schwungvoll diesen Text.
Ergänzend sind dem Band diverse Reden, auch ungehaltene, die Begründung der Jury zur Preisvergabe und der Blick auf Gonners Werk "Wilde Saaten - Landschaften / Land schaffen" beigegeben. Auch sie sind allesamt lesenswert, gehen explizit auf den Bund von Wort und Tat ein.
Nebst "Sediment und Sedum" sind im Killroy media-Verlag "Oderberger, Ein Versepos" und "Großes Rasenstück" erschienen.
Während Ersteres von einer wilden Zeit der Jahre um 1989 erzählt ("Vier aus der Spur gelaufene Kerle") , widmen sich die Gedichte des "Großen Rasenstücks" dem Naturerleben.
Aber wie! Wortgewaltig und wortschöpferisch, wild und ironisch, auf andere Dichter Bezug nehmend, gespannt zwischen haikuartigen Kurzgedichten und klangvollen Arien.
Die Illustrationen zu diesen Gedichten stammen aus der Feder Micheal Blümels. Er liebt den kräftigen Strich, ohne dabei grob zu sein, die Bilder wirken wie Wegmarken in der Landschaft der Gedichte.
Ein spannender Autor also, den es zu entdecken gilt!
Bernd Marcel Gonner: Sediment und Sedum
Killroy media, 2021, 80 Seiten, limitierte Auflage
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