David Garnett - Dame zu Fuchs

"Aus diesem Grund finden Sie hier nur die schlichte Fassung der Geschichte vor; üppige Ausschmückungen, die einige sicher recht unterhaltsam gefunden hätten, habe ich allesamt ausgespart, denn von etwas zu lesen,

an dessen Wahrheit auch nur der leiseste Zweifel besteht, halte ich für eine billige Form der Unterhaltung."

 

 

Die Geschichte als solche steht also außerhalb jeden Zweifels, was ihre Wahrhaftigkeit angeht. Zu viele Menschen wurden zu Zeugen, um sie in den Bereich der Legende zu schieben. Lediglich die Erklärungen für das Geschehen bewegen sich in der Sphäre der Spekulation, und auf diese will der Autor sich nicht einlassen.

 

Das ist eine sehr charmante Einleitung für eine Geschichte, in der sich die junge Silvia Tebrick innerhalb von wenigen Minuten in eine Fähe verwandelt.

Jung verheiratet und frisch verliebt, die Ehe noch ungetrübt von Sorgen, Gewöhnung oder Überdruss macht das junge Paar einen Spaziergang unweit ihres Hauses im ländlichen England des Jahres 1880. Silvia hat früh ihre Eltern verloren, "dass sie nicht als Wildfang vom Lande aufwuchs, erklärt sich durch die Strenge ihrer Gouvernante und den Einfluss ihres Onkels." Silvia ist zurückhaltend, selbstbeherrscht und wohlgeraten.

 

So ist sie auch in ihrer Anfangszeit als Füchsin.

Sie versucht, so menschlich wie möglich zu bleiben, trägt ein Seidenjäckchen, weil sie nicht nackt sein möchte, sitzt mit ihrem Mann bei Tisch, schläft mit ihm im Bett, spielt mit ihm Karten, verständigt sich durch Gesten und Blicke.

Sie ist äußerst liebreizend, verändert hat sich nur ihr Körper, in diesem wohnt die Seele einer Frau.

 

Doch genau das scheint das Schwierige zu sein.

Silvia wird zunehmend wilder. Sie schielt nach der Taube,

die im Käfig gehalten wird, sie fängt an, Enten zu jagen, sie verspeist genüsslich ein Kaninchen. Sie holt sich Fleisch vom Tisch und isst es unter diesem, sie will nicht mehr im Bett schlafen, sie kratzt an der Tür, weil sie hinaus will, sie versucht ein Loch unter der Gartenmauer durchzugraben,

sie versucht, über einen Birnbaum zu fliehen.

Ihr Gatte schüttet das Loch wieder zu, sägt den langen Ast des Baumes ab. Sorgfältig verschließt er die Tür ins Freie.

 

Nicht, um sie einzusperren natürlich, er will sie beschützen. Draußen lauern die Gefahren des Lebens, und die bestehen für Füchse in erster Linie aus Jägern.

 

"Kätzchen, mein Kätzchen" hatte er sie früher genannt, nun ist aus dem (eigenwilligen) Schmusetier ein wildes Tier geworden.

"Silvia, Silvia, warum tust du das? Läufst du vor mir davon? Ich bin dein Man, und wenn ich dich eingesperrt halte, dann doch nur zu deinem Schutz, damit du nicht in Gefahr gerätst." Sie hätte jetzt "einen ganzen Garten für sich und darin alle Freiheit" - darin - das ist nicht das, was Silvia will.

 

Sie widersetzt sich auch den Versuchen der Gouvernante,

die sie wieder auf die richtige Bahn bringen möchte.

Silvia hat die Freiheit erschnuppert, bei erster Gelegenheit läuft sie weg. Richard findet sie im Wald wieder, Silvia ist Mutter geworden, fünf niedliche Welpen tummeln sich im Fuchsbau. Richard schmilzt dahin. Er erkennt Ähnlichkeiten mit sich selbst, Vatergefühle keimen in ihm auf.

Da steht ihm plötzlich der echte Vater der Kinder gegenüber, ein stattlicher Fuchs - Eifersucht macht sich in Richards Herz breit.

Auf zwei Seiten  taucht drei Mal dieses Wort auf, Richards Frieden ist dahin. Es kommt ihm nun vor, "als habe er im Paradies eines Narren gelebt."

 

Richard Tebrick wird menschenscheu, er verwildert zusehends. Er wird irre an der Eifersucht, der Angst,

der Selbsttäuschung. Bei ihm wirkt sich die Entfernung

von der Zivilisation anders aus als bei Silvia.

 

Das Buch endet tragisch. Für Silvia.

 

David Garnett (1892-1981) war in zweiter Ehe mit Angelica Bell verheiratet. Sie ist die Tochter von Vanessa Bell und Duncan Grant, mit denen Garnett einige Zeit zusammen im Charleston Farmhouse in einer ménage à trois gelebt hatte, als Liebhaber Grants. Das war in der Bloomsbury-Gruppe, die sich in jeder Hinsicht von Unfreiheiten befreien wollte, nichts außergewöhnliches.

Die Bloomsbury-Gruppe, benannt nach dem Ort ihrer Treffen, modernisierte über Jahrzehnte hinweg, von 1905 bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, alle Gedanken- und Lebensbereiche Großbritanniens. Ihr gehörten Schriftsteller, Maler, Kritiker und auch Ökonomen an, die bekannteste Vertreterin ist Virginia Woolf.

 

Garnetts 1922 entstandenes Buch verkleidet nur leicht, wohin Ehemänner geraten können, die ihren Besitzstand wahren möchten, sofern sie ihre Ehefrauen als Teil ihres Besitzes betrachten.

Am Ende ist es jedoch Richard, der wieder gesund wird und von dem Garnett noch mitteilt, er habe ein hohes Alter erreicht. Während Silvia von den Hunden zerfleischt wird.

Von der Meute, die den Jägern zur Hand geht, um ihnen den Fuchs, der seit jeher mit Schläue und Verschlagenheit assoziiert wird, vor die Flinte zu treiben.

 

Doch sein Buch ist mit Sicherheit nicht als Warnung an freiheitsliebende Frauen gedacht, die sich mit der Rolle des manchmal ein bisschen wilden Kätzchens nicht begnügen. Eher als Darstellung der Gesellschaft, die mit solchen Frauen nicht leben kann.

 

Da die Geschichte ausschließlich aus der Perspektive

Richard Tebricks geschrieben ist, bleibt ein Blick in Silvias Gedankenwelt verwehrt. Sie ist in ihren Handlungen zu erkennen, ihr obliegt der Part der Agierenden.

Richard reagiert und versucht sie zu lenken, aber das gelingt ihm nicht.

 

Der Stil ist federleicht, elegant und charmant - wie gut, dass auch ein solches Thema ohne erhobenen Zeigefinger bearbeitet werden kann.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

David Garnett: Dame zu Fuchs

Übersetzt von Maria Hummitzsch

Dörlemann Verlag, 2016, 160 Seiten

(Originalausgabe 1922)