Aaron Broom ist ein zwölfjähriger Junge, der es gewohnt ist, dass die Dinge nicht so laufen, wie er es gerne hätte. Tief getroffen von der Wirtschaftskrise der 1930er Jahre musste die in St. Louis lebende Familie schon viele Abstriche machen und lebt nun in Armut.

Doch nun passiert etwas, das sein Leben auf den Kopf stellt.

Aarons Vater ist als Vertreter für Uhren tätig. Es ist kein Job, bei dem viel Geld verdient ist, aber immerhin ein Job.

Seine Mutter ist in einem teuren Lungensanatorium. Die unbezahlten Rechnungen stapeln sich, die Mietrückstände ebenso. Der letzte Besitz, ein Auto, ist auch in Gefahr, da die Raten dafür schon länger nicht beglichen wurden. Das Auto ist aber nötig, um als Vertreter tätig sein zu können.

Eine rundum schwierige Situation also.

In diese schlägt ein Ereignis wie ein Blitz: Aarons Vater wird verhaftet. Er war in einem Juweliergeschäft, um seine Uhren-kollektion zu zeigen, als dort ein Überfall verübt wurde.

Einer der Verkäufer wurde erschossen, der Täter konnte mit der Beute fliehen. Frederic Broom ist nun Hauptzeuge, er könnte aber genauso gut ein Komplize sein.

Aaron hat alles aus nächster Nähe beobachtet, denn er saß vor dem Geschäft im Auto. Nun muss er mit ansehen, wie sein Vater abgeführt wird.

Von diesem Augenblick an steht der Junge völlig alleine da.

Ein Berg an Problemen türmt sich auf. Er kann das Auto nicht fahren, es muss aber dort weg. Er hat kein Geld außer ein paar Cent. Als er zu Hause ankommt, stellt er fest, dass die kleine Wohnung bereits versiegelt ist, er kann nicht hinein. Und ihm ist sofort klar, dass sein Vater nur dann wieder freikommt, wenn er dafür sorgt, niemand anderes wird dies tun.

In dieser völlig verzweifelten Situation wächst Aaron über sich hinaus. Als passionierter Leser von Kriminalromanen fängt er an zu "detektivieren". Mit Mut, Schlauheit, kindlicher Unbedarftheit, mit der Hilfe von Fremden, die zu Freunden werden, und auch mit Glück kommt er der Lösung Schritt für Schritt näher. Und er deckt eine ganz große Sache auf.

Natürlich fehlen auch die Widersacher nicht, Aaron muss sich ordentlich seiner Haut wehren. Aber er lässt sich durch nichts von seinem Vorhaben abbringen. Drei grundlegende Dinge hat er in seinem Leben bereits gelernt:

das "Unerwartete kann einen jederzeit erwarten", man darf niemals aufgeben, und "die Seele ist das Einzige, was uns die Krise nicht nehmen kann, solange wir darauf aufpassen".

Aaron steht in der Tradition der jungen amerikanischen Helden wie Tom Sawyer, die ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen (müssen). Wie Mark Twain, der in diesem Buch eigene Erlebnisse verarbeitete, lehnt auch A.E. Hotcher die Abenteuer seines Helden Aaron Broom an seine Kindheit an.

A.E. Hotchner, 1917-2020, schrieb diesen Roman wenige Jahre vor seinem Tod. Er blickte auf ein langes, sehr erfolgreiches Leben als Autor und Journalist zurück.

In seiner Abenteuergeschichte zeichnet er ein präzises Bild der Zeitumstände, übt auch deutliche Gesellschaftskritik. Doch diese findet innerhalb der Geschichte statt, sie wird junge LeserInnen weder irritieren noch überfordern.

In die Figur des Aaron flossen Fabulier- und Abenteuerlust, Witz und Gelassenheit, Zuversicht, viel viel Lebenserfahrung und nicht zuletzt der Wille, anderen Mut zu machen, ein.

Das schöne Ende des Romans ist keineswegs kitschig, es ist sehr berührend.

"Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, wirklich irgendwo hinzugehören. Als die Erdnüsse auf dem Kuchen zwischen meinen Zähnen knackten, spürte ich wahre Liebe im Raum. Viel Glück und mein Detektivieren, aber besonders die Hilfe von Fremden hatten mir in schweren Zeiten durch gefährliche Fahrwasser geholfen - Fremde, die zu echten Freunden geworden waren."

LeserInnen ab 10 Jahren werden ihre Freude haben an dem sympathischen Aaron und an den Illustrationen von Tim Köhler, die das Buch sehr bereichern.

A.E. Hotchner:

Die erstaunlichen Abenteuer des Aaron Broom

Aus dem amerikanischen Englisch von Anja Malich

Mit Illustrationen von Tim Köhler

Gerstenberg Verlag, 2021, 256 Seiten

(Originalausgabe 2018)