Nina Dobrot & Sarah Knausenberger (Texte) und Corinna Chaumeny & Elke Ehninger (Collagen) -
Wenn ich Flügel hätte
Vier Mütter hat dieses feine Buch - ich würde dies nicht so nennen, wäre nicht das erste Wort "Geburt". In vier Kapiteln breiten die Autorinnen und Illustrato-rinnen ein Glückskleeblatt, bestehend aus Lyrik, Kurzprosa und Collagen, aus.
Mal inspirierten die Worte ein Bild, mal eine Collage einen Text, so entstand ein inniger, konzentrierter Dialog.
Die vier Kapitel lauten: Nest, Abflug, Turbulenzen, Landung.
Ein Nest muss nicht aus Zweigen und Blättern bestehen, es können auch Worte sein. Es ist fragil, es ist "wie ein Lied zu singen, das man selbst nicht kennt", ob es trägt?
Ob es hält, selbst "wenn ein Güterzug mit der Fracht von damals den ruhigen Schlaf zerreißt"
Ob es hält, bis man zum Abflug bereit ist?
Die Gedanken bauen ihrerseits ein Nest im Kopf, "wenn man sie lässt", so im Kapitel "Abflug", das verschiedene Träume von Aufbruch auslotet.
Da ist der Nur-Flügler, es gibt eine Interpretation des alten Liedes "Die Gedanken sind frei", es sprießen Blumen aus einem Teppich, die die Kraft der Fantasie symbolisieren, es gibt den verträumten Löwen, der in Wahrheit ein "Flugtier" ist. Wichtig ist es, sich selbst zuzuhören, das "Tageskarussell" einmal anzuhalten, innezuhalten, die innere Stimme zu vernehmen.
Den Abflug geschafft zu haben, bedeutet nicht, in Sicherheit zu sein. Im Gegenteil. Das blenden die Autorinnen keines-falls aus. Die Themen dieses Kapitels sind Schreibblockaden, eine verlorene Liebe, eine ausgeflogene Mama, die Sehnsucht nach einer Pause im Nest. Aber auch der Gedanke, "Ich habe es in der Hand!"
Besonders nachdenklich stimmt das Kapitel "Landung".
Hier werden auch die Themen "Furcht vor der Endlichkeit" und Tod nicht ausgespart.
Es gibt einen Sprüche klopfenden Onkel, eine schreibende Mutter und den bezaubernden letzten Text mit dem Titel "Zukunft". Die dazugehörende Illustration zeigt eine halbe Weltkugel, die von Luftballons getragen wird. Daneben ein Vogel auf Wolken - das Leichte und das Schwere so nah beieinander. Es funktioniert.
All die feinen wie ausdrucksstarken Illustrationen verbinden Mensch und Vogel, bzw Flügel in diversen Formen.
Das Erd- und das Himmelwesen gehen eine Symbiose ein.
Vögel wachsen aus Köpfen, Flügel umhüllen eine Person, ein wunderbar gekleideter Vogel lebt im Inneren einer Frau, eine Melodie wird aus einem Käfig entlassen, Flügel werden auf einem Friedhof abgelegt und andere Gedankenbilder mehr.
Die Texte sind nachdenklich, ermutigend, doppelbödig, voller Sehnsucht und ohne jeglichen Kitsch.
Alle vier Phasen des Fliegens bergen ihre Gefahren, am Ende ist es die Zukunft, die zu einer "Stätte" wird.
Zuerst war sie "ein Wort nur, groß und unerreichbar fern, doch plötzlich liegt es in unseren Händen".
Ermutigende Texte, luftige Illustrationen und eine gelungene Komposition machen das Buch zu einem Gesamtkunstwerk für junge und ältere LeserInnen.
Ein schönes Geschenk, eines der Bücher, die irgendwann ein wenig zerfleddert sein werden.
Nina Dobrot & Sarah Knausenberger (Texte) und
Corinna Chaumeny & Elke Ehninger (Collagen):
Wenn ich Flügel hätte
Kunstanstifter Verlag, 2021, Hardcover 128 Seiten