Manuel Chaves Nogales - Ifni

Spaniens letztes koloniale Abenteuer

Manuel Chaves Nogales, geboren 1897 in Sevilla, gestorben 1944 in London,

ist einer der wichtigsten europäischen Journalisten und Romanautoren.

Und einer, der "perfekt vergessen" wurde. Von 1921 bis 1936 waren die Artikel Chaves Nogales in allen liberalen Zeitungen Spaniens vertreten, auch aus dem Londoner Exil veröffent-lichte er in vielen Ländern auf der ganzen Welt. Er schrieb wegweisende Romane, Erzählungen, Essays und Reportagen. Er wird verglichen mit Fernando Pessoa, in einem Atemzug mit Viktor Klemperer genannt.

Er war überall präsent, erhielt höchste Preise - wie konnte ein solcher Autor komplett in Vergessenheit geraten?

 

Seine Arbeiten verschwanden in Archiven, sein Name wurde von General Franco, nachdem er zum Führer aufgestiegen war, verboten. Unglaublicherweise erinnerten sich weder Kollegen, noch seine Familie, die er in Paris zurückgelassen hatte, später an die einst berühmte Person.

Wiederentdeckt wurde er fast fünfzig Jahre nach seinem Tod von María Isabel Cintas Guillén im Rahmen ihrer Doktor-arbeit. Was für ein Fund!

 

Nachdem seine Bedeutung in Spanien heute unumstritten ist, liegt nun erstmals eine Übersetzung ins Deutsche vor.

Der Kupido Verlag ediert die Werke Manuel Chaves Nogales in der Reihe "Iberisches Panorama" in einer großzügigen Ausgabe. In acht Bänden erscheinen "Reportagen & Journale", in weiteren sechs "Das erzählerische Werk".

Eingeführt mit einem informativen und dichten Vorwort, herausgegeben sowie übersetzt von Frank Henseleit.

 

Eine große Aufgabe, mit Bravour gemeistert.

Der vorliegende Band enthält die Texte, die Chaves Nogales zwischen Januar und Mai 1934 in der Tageszeitung AHORA veröffentlichte. 

Zum einen die "Reportage über die `Gefangenen´ des Marokko-Kriegs" - hier legt er mit glasklarer Logik dar, dass es sich um ein politisches Ränkespiel handelt. Außerdem "AHORA in Ifni", ein Text, der den Flug und die Notlandung seiner Reise nach Ifni beschreibt, sowie die sehr ausführliche Betrachtung der Kolonisierung Ifnis, die dem Buch seinen Titel gab.

 

Die Texte sind mit dem Kopf der AHORA abgedruckt, Tag

für Tag lässt sich so nachlesen, wie Chaves Nogales seine Gedanken entwickelt. Außerdem ergänzen Fotos das geschriebene Wort, das ergibt ein umfassendes Bild.

 

Der Journalist begleitet die Besatzungskolonne des letzten kolonialen Abenteuers "auf ihrem gesamten Weg".

Er beschreibt Begegnungen mit sesshaften Mauren, kriegerischen Nomaden, führt Interviews mit mächtigen Herrschern, nimmt Teil an den Schwierigkeiten, Männer und Ausrüstung in das Gebiet Ifni zu transportieren, thematisiert die Unterschiede zwischen spanischem und französischem Vorgehen (die beiden Länder sind auch in Afrika Nachbarn).

Er erklärt seinen Lesern nicht nur Regierungsformen oder die Stellung der Frauen, er stellt Fragen wie "Ist das schon Imperialismus?" oder "Warum und mit welchem Ziel sind wir hier?"

 

In den Texten durchdringen sich Schilderungen dessen, was er sieht und erlebt, mit politischen und sozialen Fragen sowie der kritischen Betrachtung des Regierungshandelns. 

 

Er bringt seinen LeserInnen die Wüste nah - "Die Wüste ist nicht so ein Niemandsland wie die Leute in Europa glauben. Nur erscheinen hier keine Zeitungen, und die zivilisierte Welt erfährt nichts von dem anhaltenden Aufruhr, den Kriegen, den Vertreibungen, den Katastrophen dieser eigenen Welt, die wir `Spanisch Sahara´ nennen".

Und er zieht Vergleiche zu Europa. Es passiert, dass ein Befehlshaber alle Macht an sich reißt und "herrscht wie ein Diktator. ... Wie in Europa, ganz genau wie in Europa. Diese Art des Scheiterns der Demokratie wusste bis jetzt niemand zu verhindern, weder in Europa noch in Afrika."

 

In seinen scharfsinnigen Analysen neigt sich der Journalist nicht herablassend über eine unterentwickelte Gegend der Welt. Er will Hintergründe aufzeigen, darauf aufmerksam machen, wo die Gefahren für die Demokratie und Freiheit liegen, egal wo in der Welt. Sein Stil ist präzise, die feine Ironie ist ihm nicht fremd, was den Texten an vielen Stellen eine trotz allem schöne Leichtigkeit gibt. 

 

Manchmal lässt er sich zu einem Ausruf wie "Halte jemand einen solch monströsen Unsinn aus?!" hinreißen oder er vergleicht einen "kolonialen Überrest" mit auf dem Dachboden abgelegten "Gerümpel". 

 

Mit seinem Stil spricht er die LeserInnen unmittelbar an.

Die Klarheit seiner Worte, seine unbedingte Verpflichtung zur Aufklärung, sind beeindruckend. 

Ohne zu vereinfachen über komplexe Themen zu schreiben und dabei auch noch unterhaltend zu sein, ist eine große Kunst.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Manuel Chaves Nogales:

Ifni, Spaniens letztes koloniale Abenteuer

Reportagen & Journale, Band 2 

Übersetzt und herausgegeben von Frank Henseleit

Kupido Verlag, 2021, 160 Seiten

(Originalausgaben 1934)

 

 

 

 

 

Meine Rezension des Werkes "Deutschland im Zeichen des Hakenkreuzes" finden Sie hier