Lu Bonauer - Die Liebenden bei den Dünen

Romeo und Julia, das berühmteste Liebespaar der Welt, standen Pate bei dieser Novelle um Silas und Romy.

Die beiden lernten sich vor vielen vielen Jahren an der Uni kennen, nun sind sie ein alt gewordenes Ehepaar, einander immer noch herzlich zuge-neigt, sie vertrauen sich blind.

Bis zu ihrem Tod und darüber hinaus wollen sie in Liebe vereint sein.

 

Lu Bonauer erzählt in Zeitschleifen. Die Novelle beginnt am letzten Tag des Lebens der beiden Liebenden. 

Silas und Romy haben beschlossen, zusammen aus dem Leben zu gehen. Bei Romy wurde Alzheimer diagnostiziert, für den Arzt Silas ist es keine Schwierigkeit, ein tödliches Narkosemittel zu besorgen. 

Sie verbringen einen schönen und ruhigen letzten Tag zusammen, setzten sich am Abend in ihre Schaukelstühle

auf der Terrasse. Romy bringt die beiden Gläser mit dem "Sterbeli" nach draußen, sie halten sich an den Händen, schauen aufs Meer, trinken ihre Schierlingsbecher leer.

 

Ein paar Stunden später erwacht Silas, Romy liegt tot neben ihm. Er ist völlig verwirrt, versteht nicht, was passiert ist.

 

In Rückblenden erzählt Lu Bonauer das Leben des Paares.

Ihr erstes Gespräch im Park, die Literaturstudentin Romy hatte ein Exemplar von "Romeo und Julia" neben sich liegen. Die erste verrückte Zeit, in der sie sich bereits schworen, niemals ohne den anderen leben zu wollen.

Dann der Einstieg der beiden ins Berufsleben, einer gewissen Abkehr von den revolutionären Ideen der Sechziger, Phasen der Entfremdung, das Wiederfinden.

Er beschreibt mit großer Aufmerksamkeit für jeden einzelnen die Entwicklung der Beziehung - hier fanden sich zwei Individuen, die auf Augenhöhe miteinander leben.

 

Immer wieder wird jener Schwur der Tragödie Shakespeares erneuert. Er ist keine dahingesagte Laune von frisch Verliebten, er ist eine Bestätigung der persönlichen Freiheit.

 

"Das Wissen, ein Leben in Freiheit bis zum Ende ihrer Tage und noch darüber hinaus gemeinsam zu bewältigen, machte sie stärker und brachte sie einander so nah wie nie zuvor."

 

Und nun fühlt sich  Silas wie ein Verräter. Er lebt noch.

Bis er auf den Gedanken kommt, Romy könne die Verräterin sein. Hatte sie das Versprechen gebrochen?

 

Viele Gedanken zum Leben und Sterben gehen Silas durch den Kopf.

"Sie hatte ihm nichts dagelassen, hatte sich ihm entzogen, hatte ihren Willen über seinen gestellt - Aber war es wirklich so einfach?"

 

Nein, so einfach ist es nicht. Er beginnt zu begreifen, was für eine große Humanistin seine Frau war, welch ein Geschenk sie ihm zum Abschied gemacht hat.

 

Sehr dicht erzählt Lu Bonauer eine feine Liebesgeschichte, die kein Leser und keine Leserin nach dem letzten Satz einfach beiseite legen wird.

Ganz konzentriert beleuchtet er die Würde des Lebens und Sterbens, konzentriert auf zwei Menschen, ohne die Novelle  mit gesellschaftlichen Fragen zu überfrachten.

 

Das ist sehr beeindruckend.

 

 

 

 

 

 

 

 

Lu Bonauer: Die Liebenden bei den Dünen, Novelle

Kommode Verlag, 2020, 120 Seiten