Gilbert Fels - Der Gebrauch von Gärten

Eine Lyrikerzählung

"Im schweis deines Angesichts soltu dein Brot essen / Bis das du wider zu Erden werdest / da von du genomen bist / Denn du bist Erden / und solt zu Erden werden. Widerspricht dem, dass, gefühlt, der Garten dir als im Lande Limbien gelegen erscheint / in den Niederungen des Hippo-campus / nahe Amygdala?"

 

 

Die Vorstellung, das Paradies müsse, könne nur ein Garten sein, liegt unserer Kultur zugrunde. Wo sonst, könnte man der Welt der "Diktatoren", "Gotteskrieger", "Helfershenker", dem "Worldwideweb", der "unsäglichen Zeit" entfliehen?

 

"wenn Gärten gelingen, gelingt ihnen vor allem eins / Stille / was keineswegs meint die Abwesenheit jeglichen Lauts / im Gegenteil..."

 

Gilbert Fels durchwandert in seiner Lyrikerzählung eine große Anzahl an verschiedenen Gärten. Berühmte, wie den des Malers Carl Larssons, oder den Monets, der sich in Giverny sein eigenes Malerparadies erschuf. Aus seiner Bemerkung zu diesem Garten erschließt sich auch der Titel des Buches:

 

"ja, du hast - auch du hast - Giverny besucht / ein Garten für den Gebrauch / erst des Malers, der darin nicht eigentlich Beete, sondern Motive anlegte / ... jetzt ist Giverny ein Garten für den Gebrauch einer Weltöffentlichkeit, die darin nicht Beete sucht, sondern die Motive, die ihn berühmt gemacht haben ... die Wirklichkeit muss dem Bilde entsprechen ... es fehlt die Stille, die Heimlichkeit, die Verschwiegenheit, das Private / es fehlt das Geheimnis / das hat der Maler in seine Bilder übertragen / die Ernte war eingebracht / der Garten blieb / Devotionalie / er blühe in Frieden"

 

Der Autor selbst zieht die Gärten vor, in denen man zwar einen Gärtner erkennt, die Spuren jahre- oder sogar jahr-hundertelanger Arbeit sehen kann, in denen aber weder Wildwuchs noch sogenanntes Unkraut völlig beseitigt wurden. 

 

Die Sterilität vieler Vorgärten entspricht nicht seiner Idee eines Gartens, diese orientiert sich vielmehr an den Gärten seiner Kindheit. Sie ist verbunden mit Versteck - und Spielmöglichkeiten, mit dem Geschmack selbst geernteter Früchte (er verrät sogar ein Marmeladenrezept), mit der Freude an gemeinsam verrichteter Arbeit, vor allem, wenn diese an der Seite der Großmutter stattfand. 

 

Doch er verschließt sich nicht dem herben Zauber von Gärten, die zwischen Gleisen angelegt wurden - Gilbert Fels hat einen sehr weiten Begriff von Garten.

 

Er erstreckt sich auch auf Obstwiesen, Gewächshäuser, das Grün, das Wege säumt, oder auf "Tontopfparaden".

Alles, was Vögel, Insekten oder Käfer etc. ernährt, nährt auch den Menschen, nicht nur in leiblicher Hinsicht.

 

Gilbert Fels mäandert in seiner lyrisch-rhythmisch-poetischen Erzählung assoziativ nicht zuletzt durch sein Leben. 

Auf die Erinnerung an den Geschmack einer ganz bestimm-ten Erdbeersorte folgt ein Ausflug in die Besonderheiten der Jahreszeiten. Auf einen Besuch in Pompeji folgt der Besuch einer Schrebergartenkolonie, darauf ein langer Exkurs über Gras. Der unvergleichliche Charme von Dezemberrosen und die Herrlichkeit des Hohenloher Landes, wo ein Garten liegt, der dem Autor besonders viel bedeutet, wird abgelöst von dem Gedanken an einen Regen, der "seine Unschuld verloren hatte / im Sechsundachtziger-, im Tschernobyl-Jahr".

 

Gärten sind immer von Menschen gestaltete Bereiche. Und auch wenn sich Besucher:innen in ihnen außerhalb der Zeit fühlen (können), reflektieren sie ein Denken, eine Sichtweise der Zeit, in der sie angelegt wurden, bzw. ihre Entwicklung ist ein Indiz für Veränderungen gesellschaftlicher oder persönlicher Art. 

 

All diese so vielen vielen unterschiedlichen Aspekte beleuch-tet der Autor.

Und auch wenn das Buch eine Reflexion des eigenen Erlebens ist, so ist es zugleich eine Einladung an die Leser:innen, die Angst vor den ungebetenen Gästen im Garten abzulegen, die Augen und Ohren aufzusperren, sich bezaubern zu lassen.

 

Deshalb sei hier noch die letzte Passage der Erzählung zitiert:

 

"wenn du mit ihr durch die Straßen ziehst, Hand in Hand, sehnsuchtsvoll / wenn euch, umschlungen, die Häuser alle verschlossen sind / insofern, als in ihnen jemand wacht / bleibt euch ein Ort / wo euch Hecken verstecken, wo Rosen euch duften, euch Gräser liebkosen, wo euch Moos sanft empfängt / und ein Lufthauch umarmt / wo die Sonne euch streichelt, der Mond euch berührt / und wo ihr die Welt und die Zeit vergesst"

 

Da ist sie wieder, die Idee vom Paradies, das nur ein Garten sein kann.

Nur dort kann der Mensch welt- und zeitvergessen er selbst sein.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gilbert Fels: Der Gebrauch von Gärten - Eine Lyrikerzählung

Alfred Kröner Verlag, 2023, 140 Seiten