Margherita Costa -
Die schöne Frau bedarf der Zügel nicht
"Man wird der Schönheit mehr
Verehrung zollen, / wenn viele sie für sich gewinnen wollen. / Was niemand haben will, das lässt man liegen. / Die schöne Frau bedarf der Zügel nicht. / Was man nicht sieht, darüber wird geschwiegen, / im Nu verdunkelt ist ihr Sonnenlicht. / Versucht indes ein jeder, sie zu kriegen, / ist jedes Herz auf ihre Gunst erpicht, / ist das ein Glück, das allen Schmerz verklärt. / Hässlich ist jede, die man weggesperrt."
Margherita Costa - Wer ist diese Frau, die hier Schönheit und Freiheit besingt?
Bislang dürfte sie nur Kennern der italienischen Barock-dichtung ein Begriff sein. Nun, nach 400 Jahren, kann sie zum ersten Mal auf Deutsch gelesen werden.
Christine Wunnicke, die, wann immer sie zur Feder greift, Fabelhaftes schafft, hat die Gedichte ausgewählt und über-setzt, sowie ein ausführliches Porträt der römischen Dichterin verfasst.
In dieser Einführung ist zu lesen:
Margherita Costas "Biographie ist ein Trümmerfeld voller Lücken und Rätsel. Sie schrieb fünfzehn Bücher: bändeweise Gedichte, Opernlibretti, den Bericht von einer Reise, an der sie nicht teilnahm, eine surreale Sexkomödie, ein geistliches Epos, fiktionale Liebesbriefe, die bald nach ihrem Tod auf dem Index landeten, das Skript für ein Pferdeballett und eine geheimnisvolle Autofiktion in Terzinen, die nur im Manus-kript überliefert ist; damit war sie eine der produktivsten Schriftstellerinnen ihrer Zeit."
Geboren wurde sie um 1600, nach 1657 verliert sich ihre Spur. Hauptsächlich lebte sie in Rom, phasenweise in Venedig, Gastspiele gab sie an internationalen Opernbühnen.
Denn Costa war nicht nur eine extrem produktive Schrift-stellerin, sie war eine gefragte Sängerin, sie war Kurtisane, Mutter von mindestens fünf Töchtern, Lebensgefährtin diverser dubioser Männer, Vertraute mehrerer Päpste und Kardinäle. Sie war ein mutiger Freigeist, der sich über viele Grenzen und Schranken, die ihrem Geschlecht auferlegt waren, hinwegsetzte. Sie nahm kein Blatt vor den Mund!
So, wie sie es zeitlebens verstand, die Fäden guter Beziehungen, die unerlässlich für ein angenehmes Leben waren, zu knüpfen, so verstand sie es, mit Worten umzugehen.
In dem Gedicht "Die Autorin entschuldigt sich", übt sie sich zunächst in Bescheidenheit, dies dürfte nichts als Strategie sein:
"Meine Muse ist erwacht, schon greift sie wieder / den Dudel-sack, das Plektron, rostbewachsen, / kaum halte ich sie mit dem Zügel nieder. ... Ihr werdet keine Perfektion dort sehen, / bin Göttertochter nicht, die Verse hinken, ..."
Die Muse der Dichterin, Simona, wird von ihr verprügelt, doch Simona treibt weiter ihr Unwesen - es entwickelt sich ein komisches Stück, womöglich das erste komische, das von einer Frau verfasste wurde.
Margherita Costa liebt auch das Skurrile und Groteske.
In den Gedichten des Werks "Lettere Amorose" preist eine schöne Frau einen Zwerg, ein Verliebter ohne Arme besingt eine Frau ohne Nase, ein Buckliger richtet verliebte Worte an eine Schielende.
Sie liebt es zu überzeichnen, wohl auch zu schockieren.
Beispielsweise in ihrem Schauspiel "Li buffoni" ("Die Narren") von 1641, in dem sie die Kochkunst bemüht, um ihren "Spaß an der Parodie" auszuleben. Hier rücken Pornographie und Kannibalismus eng zusammen, Zweideutigkeiten feiern ein Fest:
"Du nimmersatte Maus, so vollgefressen, / wie eine Schiffslaterne fett und rund, / welch netter Schwanz an dieser Meise hängt, / welch dicken Bauch hat die verfluchte Mieze, / die zu viel Stängel schluckte auf der Wiese, / auch du, du Schnepfe, des Gevögels Köder, / oh, in den Pappardelle endet jeder! / Oh meine Küche! Meine Ofenhitze! / Ich koch euch, brat euch, stopf euch in die Sülze!"
Man sieht, Christine Wunnicke hat die barocken Verse in ein saftiges Deutsch übertragen.
Verse wie "wer nicht bezahlen kann, kriegt keine Ware", "Man zockt auch mit Valuten aller Arten", "aus Amors Bank auf die Idiotenbank", "Du hübscher Schmuck, du aufgehübschte Kleidung", oder "ihr Augenlider, geschickt auf Halbmast oder ganz geschlossen" zeigen, dass sie die Gedichte in die Gegenwart geholt und erschlossen hat wie ein unbekanntes Gelände.
Hier wird nicht an einem wilden Werk herumgebügelt, es erstrahlt in praller Sinnlichkeit!
Doch natürlich geht es auch um Seelenqualen, hier die der Dichterin, die ihr Talent verflucht:
"Verflucht sei mein Talent, verflucht mein Sehnen, / das mich zum Verseschmieden damals rief, / und dass von allen den Gitarrentönen / ich immer wieder nur den einz´gen griff; / dass auf der Geige meine Kantilenen / mich mit mir selbst entzweiten, falsch und schief - / verflucht sei jede Kunst von Anbeginn, / oh ich verrückte Tintenkleckserin!"
In ihrer Einführung geht Christine Wunnicke, die viel Zeit in Archiven verbracht haben muss und über ein großes historisches Wissen verfügt, auf die zeitgeschichtlichen, sozialen und politischen Hintergründe der Texte ein. Auch auf die Wurzeln, die einige Schriftstücke in der Realität haben, die jedoch von Margherita Costa sehr frei gestaltet werden.
Denn sie liebt es auch noch, sich häufig zu widersprechen - das Verhältnis von Dichtung und Wahrheit ist komplex.
Es ist ein großes Vergnügen, in die Welt dieser einzigartigen Barockdichterin einzutauchen, man kann immer wieder nur staunen, lachen, sich wundern ob dieser Fülle an Freiheiten.
Margherita Costa: Die schöne Frau bedarf der Zügel nicht
Porträt, Werkauswahl und Übersetzung aus dem Italienischen von Christine Wunnicke
Berenberg Verlag, 2023, 352 Seiten; Zweisprachig