Judith Auer (Illustration) & Luca Tortolini (Text) -

Der Spaziergang des Herrn Momo

Erneut ein luftig-leichtes Buch der Illustratorin Judith Auer, das ein Schmaus für Augen, Geist und Seele ist. Diesmal schrieb sie die Geschichte nicht selbst, sondern übertrug sie aus dem Italienischen. Erfunden hat sie Luca Tortolini -

die beiden haben gut zusammen-gearbeitet, denn das Bilderbuch für alle Lesenden ab 10 Jahren ist sehr                                                           harmonisch geworden.

 

Herr Momo ist ein feiner Mann, der sein Haus stets mit Hut und Spazierstock verlässt. Jeden Morgen geht er schon früh in den Park, um seinen Spaziergang zu machen. Dort spielen Hunde, eine alte Dame mit ihrem Hündchen macht eine Pause auf einer Bank, im Hintergrund ist der Palast zu sehen, in dem Herr Momo wohnt, ein großes Backsteingebäude, elegant und streng symmetrisch. Der Park wird gesäumt von Pinien und Zypressen, allerlei bunten Büschen, ein paar kleine Wölkchen ziehen am Himmel vorbei.

 

Judith Auer zeichnet mit dem Buntstift. Ihre Illustrationen sind so zart, ruhig und ausgeglichen wie lebendig, bewegt und mit einem Augenzwinkern versehen. 

Beispielsweise hat Herr Momo eine sehr markante Nase: sie ist ziemlich rot und lustig nach oben gebogen, so als wollte sie bald losfliegen. Seine Bäckchen sind ebenfalls rot, vielleicht ist er ein wenig aufgeregt?

Kaum vorstellbar angesichts dessen, dass in seinem Leben nicht viel zu geschehen scheint.

 

"Er ist ein Gewohnheitsmensch, der Herr Momo. Er weicht nicht von seinem Weg ab. Er trägt die gleiche Kleidung. Er isst dieselben Dinge. Ohne Ausnahme - macht er jeden Tag alles zur selben Zeit." 

 

Vielleicht liegt gerade darin das Geheimnis seiner fröhlichen und vergnügten Art? Seiner ruhigen und freundlichen Aus-strahlung? 

Er grüßt alle, die ihm begegnen, auch eine Statue - oder vielleicht auch das Vögelchen, das auf ihrer Schulter sitzt?

Er schließt manchmal neue Freundschaften, immer nimmt er einen Kaffee am See zu sich, liest die Zeitung und raucht eine Pfeife.

Er liebt die Blumen, besonders die roten - "Wenn er auf der Wiese keine findet, kauft er sich eine im Blumenladen."

 

Ganz verliebt schaut er auf einem großformatigen Bild die Blume an, er hält sie vorsichtig zwischen zwei Fingern, wovon mag er träumen?

 

Sein Weg führt ihn weiter durch die Stadt, Gelegenheit für Judith Auer diverse Menschen zu porträtieren. Es kommt ihr auf Vielfalt an, so stehen vor einem Brunnen ein Punk, ein junges Pärchen, diverse People of Colour, ein Junge im Roll-stuhl und andere. Geduldig warten alle zusammen, bis sie am Brunnen trinken können.

 

Sein Weg führt Herrn Momo auch den Zoo, ein kurioses Bild, bei dem Text und Bild nicht übereinstimmen - hier ist Phantasie gefragt, mit der Herr Momo jedenfalls gesegnet zu sein scheint.

 

Der Höhepunkt seines Ausflugs (ich habe nicht alle Stationen aufgezählt, obwohl jede einzelne eine Erwähnung wert wäre) ist das Museum. Er begibt sich in die Uffizien und lässt sich von Botticellis Bildern verzaubern. Und nicht nur von diesen, denn es gibt jemanden, den er mit der roten Blume ehrt.

Wen, das möchte ich nicht verraten.

Verraten sei nur, dass Herr Momo auf dem wunderbaren letzten Bild, einem großen Panorama, weit über allem schwebt. Sehr verzückt, die Arme ausgebreitet, als wollte er die ganze Welt umarmen. 

 

 

Das Buch ist "Für alle, die keine Angst davor haben, fliegen zu lernen", so das Geleitwort. Es ist beflügelnd, bezaubernd, poetisch. Es ist so gut gelungen wie das Erstlingswerk Judith Auers, "Ein Stück Käse", das ebenfalls durch zarte und ausdrucksstarke Illustrationen und einen poetischen Text, durch Harmonie, feiner Ironie, Phantasie und Einfühlungs-vermögen bezaubert.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Judith Auer & Luca Tortolini:

Der Spaziergang des Herrn Momo

Aus dem Italienischen von Judith Auer

kunstanstifter Verlag, 2022, 32 Seiten Hardcover