Amy Novesky und Isabelle Arsenault -
Lied für Louise
Louise Bourgeois wurde 1911 in Paris geboren. 1938 zog sie nach New York, wo sie bis 2010 lebte und arbeitete. Sie ist eine der profiliertesten zeitgenössischen Bildhauerinnen und Installations-künstlerinnen und ihr ist dieses bezaubernde Buch gewidmet.
Es zeichnet ihren Lebensweg und ihre Entwicklung als Künstlerin nach und erklärt auf verständliche und anschauliche Art und Weise die Hintergründe ihres Werkes.
Aufgewachsen ist Louise an einem Fluss, die Eltern betreiben eine Textilwerkstatt. Hier werden alte Stoffe und Tapisserien restauriert, wie eine Zauberin erscheint ihr die Mutter,
die den historischen Geweben neues Leben einhaucht.
Hier lernt Louise auch die Grundfertigkeiten des Nähens, Stickens und Knüpfens, und vor allem des Findens der richtigen Farbe - die Werkstatt übt eine sehr große Faszination auf das Kind aus.
Sie liebt auch den großen, bunten Garten, liebt es, zusammen mit ihren Geschwistern im Zelt zu übernachten und den Sternenhimmel zu betrachten.
Die Arbeit des Webens, Stopfens und Stickens verbindet sich für Louise unauflöslich mit der Spinne und dem Fluss:
das Wasser ist Lebensader, die Spinne Symbol für Kreativität, Erschaffung des Schönen und Leichtigkeit.
Und diese Arbeit verbindet sich auf immer mit ihrer Mutter.
Zum Vater hat sie ein sehr angespanntes Verhältnis - um den ewigen Tischreden zu entfliehen, fängt sie an, kleine Skulpturen aus Brot zu kneten.
Die junge Frau beginnt ein Studium der Mathematik, da stirbt ihre Mutter völlig überraschend.
In dieser Trauerphase malt Louise intensiv, sie webt,
sie kreiert Skulpturen, sie macht Stoffpuppen aus Kleidungsstücken, die sie zerschneidet und dann wieder zusammensetzt, sie baut Netze - und immer wieder Spinnen.
In vielen ihrer Werke verarbeitet sie die Traumata ihrer Kindheit (ein berühmtes Werk heißt "Vernichtung des Vaters"), sie versucht, wie die Spinne, Dinge wieder ganz zu machen. Sie näht Bücher mit weißen Seiten, die aus der Tischwäsche ihrer Hochzeit bestehen, sie näht Bücher über schöne Tage und düstere Nächte, sie näht ein Buch über das Vergessen, weil sie nichts vergessen möchte.
Das vorliegende Buch von Novesky und Arsenault ist eine wunderbar gelungene Synthese von Texten, die erklären, aber auch genug Raum für eigene Gedanken und Fragen lassen und duftig-leichten Illustrationen, hauptsächlich in Rot und Blau gehalten, ergänzt durch wenig Gelb und Schwarz.
Sie zeigen Louise bei ihren Tätigkeiten, nehmen den Faden, der sich ganz konkret durch Louises Leben zieht sehr ernst, zeigen die Umgebungen, den Fluss und auch das Handwerks-zeug der Mutter. Angedeutet werden die Reise nach New York durch die Darstellung eines Schiffes, und auch eines der Drahthäuser ("Cells"), die Louise später schuf, ist zu sehen.
Übermächtig steht neben dem kleinen Mädchen eine riesige Spinne, das Kind legt ihm vertrauensvoll die Hand auf ein Bein. Diese neun Meter hohen Skulpturen heißen "Maman".
Ganz am Ende webt Louise "aus dem restlichen Stoff ... ein Lied. In diesem Lied verflocht und verknüpfte sie ihre liebsten Erinnerungen ..."
Das Buch ist für Kinder ab acht Jahren geeignet.
Da sich bei der Betrachtung und Lektüre viele Fragen ergeben werden, da die Neugier geweckt wird und womöglich auch der Wunsch, selbst Nadel und Faden oder Draht und Stoffreste in die Hand zu nehmen, empfiehlt es sich, das Kind bei diesem Buch zu begleiten.
Es werden Fragen wie "wird Scharlachrot wirklich aus Schildläusen gewonnen?" auftauchen oder auch das Bedürfnis, die Werke von Louise Bourgeois anzuschauen.
Das Buch ist ein abgerundetes Werk, das einen Blick hinaus eröffnet und Entwicklungen in Gang setzen kann, die auf eine unbekannte Reise führen.
Für Kinder und Erwachsene ist es eine feine und
unaufdringliche Begegnung mit einer großen Künstlerin,
eine Freude und eine Entdeckung.
Amy Novesky und Isabelle Arsenault: Lied für Louise
Übersetzt von Katharina Bendixen und David Blum
E.A. Seemanns Bilderbande, 2016, 40 Seiten kompl. illustriert
(Originalausgabe 2016)