Rachel de Queiroz - Die drei Marias

 

 

Der Wagenbach Verlag hat diesen schönen Roman aus Brasilien wiederentdeckt.

1939 ist er erschienen, die Autorin war zu diesem Zeitpunkt neunundzwanzig Jahre alt. 2003 ist sie in Rio de Janeiro gestorben.

Die meiste Zeit ihres Lebens verbrachte sie dort, nur zum Studieren ging sie wieder zurück in jene Region, in der sie ihre frühe Kindheit verbracht hatte: nach Fortaleza im Nordosten Brasiliens, wo auch der Roman spielt.

 

Sie schreibt die Geschichte der drei Marias in der Ich-Form, aus der Sicht Maria Augustas, genannt Guta.

Guta ist die dritte, die in den Freundschaftsbund der Mädchen in einer Klosterschule aufgenommen wird. Bisher waren Maria José und Glória Maria dicke Freundinnen gewesen, nun bilden sie ein Kleeblatt.

 

Die Mädchen sind im Backfischalter und haben die gleichen Sorgen wie alle anderen Mädchen auch: steht mir das Rouge? Ist der Rocksaum weit genug hochgesteckt? Sind echte junge Männer genau so mutig, leidenschaftlich und verwegen wie Romanhelden?

In nichts unterschieden sie sich von den Kindern, die "draußen", d.h. außerhalb der Klostermauern aufwachsen.

Die religiösen Zeremonien werden von manchen mit großer Inbrunst erfüllt, von anderen eher lässig bis nachlässig.

 

Maria Glória ist Waise auf eine tragische Art. Die Mutter starb kurz nach Marias Geburt, der Vater vergötterte die Tochter. Er erzog sie zärtlich, besuchte täglich das Grab der verstorbenen Frau und so lebten sie wie eine echte Familie zu dritt: die Tote war immer anwesend. Als Maria zwölf ist, stirbt der Vater. Sie wird dadurch zu einer Verlassenen, einer unabänderlich untröstlichen Waise, die darin eine Lebensrolle findet und sich schämt, wenn die Tränen dann und wann ausbleiben.

 

Maria José ist von der Mutter ins Internat geschickt worden. Die Mutter ist eine ewig zeternde, gebrochene Frau, da ihr Mann sie verlassen und mit einer großen Schar kleiner Kinder zurückgelassen hatte. Maria trägt die Scham um den Vater wie eine auferlegte Last und führt ein streng religiöses Leben.

 

Guta ist ebenfalls Halbwaise. Ihre Mutter war ein Leichtgewicht gewesen: klein, zierlich, flatterhaft, phantasievoll. Ein Schmetterling, in den der Vater sich verliebt hatte. Nach ihrem Tod heiratet er eine dicke, praktische und sparsame (Haus)Frau und kehrt damit in sein altes Leben zurück, das nur für eine kurze Zeit von der Poesie unterbrochen worden war.

 

Guta ist nun diejenige, die die Lebenswege der Freundinnen aufzeichnet.

Die eine findet ihre Erfüllung in der Ehe, die andere bei Gott.

Auch ein paar andere Mächen aus der Schule tauchen später nocheinmal auf, als Gegengewicht zu den dreien: nicht jede hatte das Glück einen guten Ehemann zu erwischen, mit anderen geht das Leben ganz hart um.

 

Das modernste Leben führt Guta. Sie wird Sekretärin, lebt zwar bei Maria José und deren Mutter, aber von ihrem selbstverdienten Geld.

Doch sie ist nicht glücklich dabei. Eine kleine Liebelei mit einem Maler, der sie als Model engagierte, aber eben doch etwas anderes im Sinn hatte, lässt sie traurig zurück, nachdem sie die Liaison beendet hat.

 

Um sich zu trösten macht sie eine mehrmonatige Reise nach Rio, wieder lernt sie einen Mann kennen. Sie liebt ihn, er sie auch. Sie gibt ihm alles, aber sie bleibt nicht bei ihm.

 

Am Ende ist sie wirklich verzweifelt und schaut auf in den Himmel, um dort die "Drei Marias" zu finden, jenes Sternenzeichen, das die Mädchen sich vor langer Zeit als Beweis der Zusammengehörigkeit in die Haut ritzten.

 

In diesem angenehm zu lesenden Frauenroman mit seinem leichtfüßigen Ton sind die Lebensmöglichkeiten der Frau aufgezeichnet: Ehe, Religion oder Unglück.

Und de Queiroz macht deutlich: in der Ehe herrscht keineswegs automatisch Glück, im Kloster Einigkeit oder im Unglück Hoffnungslosigkeit.

Jede Maria (und alle anderen) ringt um ihr Leben, um ihr Glück und um die Liebe.

 

Den Marias und ihren Schulfreundinnen ist gemein, dass ihnen allen noch etwas mädchenhaftes eigen ist, sie sind noch nicht mit den Unabänderlichkeiten der Mutter-Gestalten beschwert. 

 

De Queiroz hat mit diesem Roman ein Frauenbild der Zeit geschrieben - ohne pädagogischen Unterton, deshalb ist die Geschichte so liebenswert.

Sie hat aber auch den Boden für eine engagierte Literatur bereitet, die unterschiedliche und neue Lebensweisen darstellt und dürfte Vorbild für viele jüngere Schriftstellerinnen sein.

 

 

 

 

 

 

Rachel de Queiroz: Die drei Marias

Übersetzt von Ingrid Führer

Wagenbach, 2013, 208 Seiten

(brasil. Erstausgabe 1939)