Nelly Dix
Die Geschichte vom weitgereisten kleinen Teufel Eitel
Diese sehr bunte und phantasievolle Geschichte stammt aus der Feder der dreizehnjährigen Tochter von Otto Dix (1891-1969), jenem berühmten Maler von Großstadtszenen und außergewöhnlichen Portraits.
Mit seiner Entlassung aus dem Staatsdienst gleich nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 (Dix war Kunstprofessor in Dresden) verlor die Familie ihre Lebensgrundlage.
Zuerst versuchten Otto und Martha mit ihren Kindern Nelly, Ursus und Jan in Dresden zu bleiben, aber die Diffamierungen wurden so schlimm, dass sie sich nach Süddeutschland zurückzogen.
In Hemmenhofen auf der Halbinsel Höri, wenige Kilometer vom Schweizer Ufer entfernt, bauten sie ein Haus, in das sie 1936 zogen. Hier lebte Otto Dix bis zu seinem Tod.
Im Frühjahr 2013 wurde das "Otto Dix Museum" nach einer Umgestaltung wiedereröffnet, was der Anlass war, Nellys Buch erstmals zu verlegen.
In seinem Vorwort schreibt Jan, dass Nelly dieses Buch für ihn geschrieben hat, um ihm beim Lesen lernen zu helfen. Es war 1936 0der 37, er besuchte die Volksschule in Hemmenhofen, dort lernten alle Kinder die Sütterlin-Schrift. Die Bücher zuhause waren aber alle in Druckschrift, diese war Jan noch unbekannt.
Das brachte Nelly (1923-55) auf die Idee, für ihren kleinen Bruder ein Buch zu schreiben, das er lesen konnte.
Phantasie hatte sie genug, Märchenbücher hatte sie auch schon viele gelesen und malen, basteln, gestalten war ihr tägliches Brot.
Und so schrieb und zeichnete sie für Jan die Geschichte vom kleinen Teufel Eitel, was eine Anspielung auf den Beschenkten ist.
Eitel wohnt mit vielen Geschwistern in der Hölle, die eine Art Haus am Ende des Dorfes ist. Eitel ist der einzige, der auf einem Kittel besteht und Strümpfe haben möchte, auch spielt er nicht nur mit seinem Schwanz, er hat eine kleine Trommel.
Im Dorf wohnen "seltsame Leute", die Menschen leben viele Meilen entfernt hinter dem Dorf.
Die erste Station, als Eitel einmal "auswischt", ist das Dorf. Hier trifft er Frau Sonne, den Schwager Wind, der Eitel ein kleines Schwert schenkt, die Blitzhexe, den Bruder Donnermann und andere mehr oder weniger freundliche Gestalten - von allen erfährt er etwas Neues.
Gerne wäre er in den Himmel gekommen, aber: "Noch nie ist ein Teufel in den Himmel gekommen, und es wird auch nie einer hinkommen", belehrt ihn Frau Holle.
Eitel begnügt sich stattdessen mit einer Stadt, die dem Himmelsschloss nahe liegt und von Menschen bewohnt wird.
Dort wird er Schleierträger einer schönen Dame, verliert diese Arbeit aber nach einem Missgeschick. Er heuert als Schiffsjunge an, übersteht einen Piratenangriff und überlebt sogar zwei Wochen im Bauch eines Wales.
Schließlich wird er einem Kalifen, der einen prächtigen Palast bewohnt, geschenkt. Eitel führt ein komfortables Leben. Bis ein Krieg ausbricht.
Auf ungewöhlichen Wegen kommt er wieder in seine angestammte Hemisphäre zurück und nicht nur das, er landet bei einer Muhme seiner Großmutter.
Als der Marschall Tod und Eitels Vater König Luzifer zu Besuch kommen wird es nocheinmal eng für Eitel.
Aber er schafft es unbemerkt auf dem Drachenschwanz nach Hause und am Ende verzichtet der Vater auf die Prügel, er ist sogar "sehr stolz auf ihn, den weitgereisten Teufel."
In der unteren Hälfte jeder Seite ist der Text in Druckschrift abgedruckt, in rot und schwarz so unterlegt, dass jeder Textteil gleich groß ist.
In der oberen Hälfte sind die Zeichnungen Nellys und ihre Handschrift in Sütterlin zu sehen.
Und sie hat wirklich ganz bezaubernde Illustrationen angefertigt vom zufrieden lächelnden Sultan, dem grimmig dreinschauenden Piraten mit der behaarten Hand, der Dame, die ihm einfach so mir nichts dir nichts den Schwanz abschneidet oder auch vom Kaufmannsladen oder der Studierstube von Onkel Mond.
Jede Seite wartet mit einem Bild auf, das den Text beleuchtet, erweitert und nach vorne bringt.
Es würde den Bildern nicht gerecht, würde man sie einfach "erklärend" nennen.
Die Geschichte, die sich aus vielen Quellen speist, das liebevoll gestaltete Buch, ist ein echtes Kleinod, ein Sammlerstück, das man gerne immer wieder in die Hand nimmt.
Nelly Dix:
Die Geschichte vom weitgereisten kleinen Teufel Eitel
Libelle Verlag, 2013, 60 Seiten
(geschrieben 1936/37)