Christian Morgenstern für Große und Kleine - Gedichte

 

 

Der einhundertste Todestag Morgensterns am 14.März 2014 ist ein Anlass, seine Gedichte wieder einmal zu lesen. Und sich wieder von ihnen verzaubern zu lassen.

Bekannt sind vor allem seine "Galgenlieder", "Palmström" oder das nach seinem Tod von seiner Frau herausgegebene Buch "Der Gingganz".

 

Ich habe hier ein ganz kleines, schmales Büchlein ausgewählt, das eine Tür zu Morgensterns Werk öffnet, einen Spalt, gerade groß genug, um zu ahnen, was einen erwartet. 

Es ist eine Sammlung bekannter Texte, die Illustrationen stammen von Reinhard Michl: schöner kann man die Worte Morgensterns nicht in Bilder umsetzen.

 

Das erste Kapitel, "Es lauscht der Teich mit offnem Mund" überschrieben, macht sogleich mit dem "Zwölf-Elf" bekannt, der um Mitternacht kurz den Gang der Zeit unterbricht.

Es zeigt das sympathische Huhn, das in der Bahnhofshalle steht und führt den "Flügelflagel" vor, der durchs "Wiruwaruwolz gaustert".

Im zweiten Kapitel streunt "Der Tierweltphotograph" durch die Welt und bannt ungeheure und ungeheuerliche Tiere in seinen Kasten.

Desweiteren lernt man seufzende Schlittschuhe kennen,  überdenkt die Aufforderung "O Mensch, lieg vor dir selber auf der Lauer" oder besieht sich "Neue Bildungen, der Natur vorgeschlagen".

 

Die Gedichte Morgensterns sind unglaublich phantasievoll, meist reichen ein paar wenige Worte, um ein neues Wesen entstehen zu lassen. Oder bisher unbekannte Tätigkeiten zu entdecken. "Gaustern"?

Das ist fast geistern, aber eben nicht ganz - ein jeder lasse seine Vorstellungskraft schweifen und dieses Wort mit Leben füllen. 

Die Gedichte eignen sich prächtig zum lauten Vorlesen, da sie sehr rhythmisch und melodisch sind - große Augen der Zuhörerschaft sind hier sicher.

Sie leben zu einem guten Teil von ihrer Musikalität, hier wurden nicht Worte in einen Rhythmus gefasst, sie fließen in ihm dahin, alles ist aus einem Guss.

 

 

Der Flügelflagel

Der Flügelflagel gaustert

durchs Wiruwaruwolz

die rote Fingur plaustert

und grausig gutzt der Golz.

 

 

Morgenstern, dessen Mutter starb, als er noch ein Kind war, der in diversen Schulen nicht glücklich wurde und der Zeit seines kurzen Lebens krank war (er litt an Tuberkulose, vermutlich hat er sich bei seiner Mutter angesteckt), schrieb Gedichte, die einfach nur Freude machen.

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In einem Vorwort zu den "Galgenliedern" schrieb er, die Gedichte wären "Spiel-und Ernst-Zeug": doppelbödig, mit einer zweiten Ebene versehen.

Sie fügen Ungewöhnliches zusammen, man sollte sie nicht für Unfug halten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Christian Morgenstern für Große und Kleine - Gedichte

dtv, 2014

 

 

 

außerdem empfehlenswert:

Morgenstern zum Vergnügen, Reclam, 2014

Liebesgedichte, Urachhaus, 2014

Der Nachtschelm und das Siebenschwein, Urachhaus, 2014

Gesammelte Werke, Anaconda, 2014

Alle Galgenlieder, Diogenes, 2014

u.a.